Typisch deutsch: Olli Dittrich als "König von Deutschland"
Olli Dittrich wird in "König von Deutschland" zum deutschesten Deutschen, den man sich vorstellen kann. In der Satire erhebt sich der normale "Michel" und revoltiert gegen die Ausbeutung des kleinen Mannes.
Der Held hat nichts Heldenhaftes an sich, überdurchschnittlich ausgeprägt ist an ihm nur eines: seine Durchschnittlichkeit. Thomas Müller, geboren am 6.6. 1966, verbringt täglich 223 Minuten vor dem Fernseher, fährt einen Golf und liebt seine Ehefrau Sabine („Binchen“), mit der er seit 18 Jahren verheiratet ist, noch ein bisschen mehr als die Spielzeugeisenbahn. Lieblingsfarbe: Blau. Lieblingsbuch: „Herr der Ringe“. Lieblingsgericht: Schnitzel mit Kartoffelsalat.
Dieser Jedermann ist so gewöhnlich und so deutsch, dass es schon wehtut. Olli Dittrich spielt ihn mit sensationeller Unauffälligkeit, in einem Stoizismus wie bei Loriot. So wird „Der König von Deutschland“, der Debütfilm des Regisseurs David Dietl, zum Triumph des Hauptdarstellers. Er zeigt ein teigiges Angst-Gesicht und trägt einen staubgrauen Anzug, in dem er von der farbarmen Ausstattung seiner Wohnung beinahe verschluckt wird. Unter dem verschwitzten Hemd wölbt sich ein Wohlstandsbäuchlein. Nach außen geht es ihm gut. Bald wird der pubertierende Sohn ausziehen, dann wollen Müller und Frau im eigenen Neubauhaus leben. Nur im Inneren, da rumort manchmal etwas bei ihm. Dann äußert sich sein Rebellengeist. Etwa wenn der Moderator der Quizshow „König von Deutschland“ nach dem Lieblingstier fragt, und Müller, auf dem Sofa vorm Fernseher hockend, „Adler“ antwortet.
Adler? Es reicht allenfalls zum Hähnchen. Folgender Dialog zwischen Müller und seiner Gattin ist bezeichnend für den Verzicht auf alle Ambitionen: „Sag mal Binchen, findest du etwas besonders am mir?“ – „Ich weiß nicht, ich finde, du hast von allem etwas“ – „Also richtig schön normal?“ – „Normal ist doch gut!“ Veronica Ferres hat man kaum jemals so gut gesehen wie in der Rolle dieser roboterhaft emsigen Ehefrau, die sich schließlich gegen ihren Mann wendet. Krampf und Komik liegen dicht beieinander, etwa in einer grotesk scheiternden Sexszene. Als Müller nach 23 Jahren den Job bei seiner Firma verliert, will er sich von einer Brücke stürzen. Im letzten Moment wird er zurückgerissen, von Stefan Schmidt (Wanja Mues), einem smarten Manager mit 400-PS-Sportwagen und eigenem Dienstleistungsunternehmen.
Es folgt Müllers Neuanfang bei dieser Firma „Industries Unlimited“. Er wird neu und teuer eingekleidet, inklusive Designerbrille, muss Testreihen absolvieren, und der Chef bemüht sich um seine Freundschaft. Was wie eine Errettung wirkt, ist in Wirklichkeit eine große Manipulation. Industries Unlimited spioniert die Wünsche, Träume und Gedanken des modernen Otto Normalverbrauchers aus, als Material für die Marktforschung. Seine Vision einer Bierflasche mit Schraubverschluss wird sofort zum Markenprodukt, seine politischen Anmerkungen tauchen als Parolen im Wahlkampf auf. Doch den kleinen Mann – so lautete bereits die Botschaft in den Filmen mit Heinz Rühmann – darf man nicht unterschätzen. Müller nimmt den Kampf auf gegen die Datenkrake, zusammen mit seinem Sohn, dessen Freundin und einer heimlichen Liebe (Katrin Bauerfeind).
David Dietl, der auch das Drehbuch schrieb, scheint das Komödientalent von seinem Vater Helmut Dietl geerbt zu haben, dem Schöpfer von „Kir Royal“ und „Schtonk!“. „König von Deutschland“ ist eine gelungene Gesellschaftssatire und ein ziemlich grandioser Schauspielerfilm – auch wenn ihm gegen Ende ein wenig die Luft ausgeht. Mittelmaß ist mehrheitsfähig. Angela Merkel hat diese Lektion gelernt.
Christian Schröder
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