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Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Ministerpräsident der Türkei, Ahmet Davutoglu, Anfang 2015 bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt in Berlin.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Künstler, Wissenschaftler, Medienschaffende: Offener Brief: Merkel soll Türkei kritisieren

Hundert Künstler, Medienschaffende und Wissenschaftler haben Angela Merkel in einem offenen Brief aufgefordert, "Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit" in der Türkei einzufordern. Premier Davutoglu ist Freitag zu Besuch.

Bevor Angela Merkel am Freitag in Berlin den türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu empfängt, haben hundert Künstler, Medienschaffende und Wissenschaftler die Bundeskanzlerin aufgefordert, bei den Konsultationen auf die Aggression und die vielen zivilen Opfer im Südosten des Landes einzugehen. Außerdem solle sie „Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei einfordern, wo zuletzt Regierungskritiker verfolgt und verhaftet worden waren“.

In dem Brief, der auf der Website change.org zur weiteren Unterzeichnung veröffentlicht wurde, heißt es: „Die Türkei ist als Partner für Deutschland und Europa unerlässlich. Im Kampf gegen Terror ebenso wie bei dem Bemühen, den vielen Millionen geflüchteten Menschen in der Region eine Perspektive zu ermöglichen. Partnerschaft kann jedoch nicht bedeuten, bei Menschenrechtsverletzungen wegzusehen.“

"Sprechen Sie über die Opfer"

In dem Text wird das Schicksal von Zeynep Taskin beschrieben, die, 17 Jahre alt, ihr Baby im Arm trug, als sie vor dem Haus von Verwandten in Cizre, im Südosten der Türkei, erschossen wurde. „Sprechen Sie am Freitag über Zeynep Taskin, Esref Erdin, Suphi Sarak und die anderen Opfer“, wird Angela Merkel aufgefordert. „Sprechen Sie über Meinungsfreiheit. 27 türkische Akademiker_innen wurden vergangene Woche festgenommen, weil sie einen Friedensaufruf unterzeichnet haben. Can Dündar, Chefredakteur der Tageszeitung „Cumhuriyet“ sitzt im Gefängnis, weil er kritisch berichtet hat.“

Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören Navid Kermani, Fatih Akin, Shermin Langhoff, Benno Fürmann, Oliver Polak, Daniel Richter, Dani Levy, Katja Riemann, Christian Petzold, Jasmin Tabatabai, Sibel Kekilli und Phillip Ruch.

„Mit großer Sorge“ beobachten auch die Rektorenkonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz den Umgang des türkischen Staates mit kritischen Wissenschaftlern. Die Präsidenten Horst Hippler, Sonja Hammerschmid und Michael Hengartner beklagten die Repressionen der türkischen Regierung gegen Unterzeichner des Aufrufs „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“ und forderten den Schutz der Meinungsfreiheit in der Türkei. Der Aufruf spricht sich für ein Ende des türkischen Militäreinsatzes in den kurdisch geprägten Gebieten des Landes aus.

Lesen Sie hier den offenen Brief

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

Zeynep Taskin, 17 Jahre alt, trug ihr Baby im Arm, als sie vor dem Haus von Verwandten in Cizre, im Südosten der Türkei, erschossen wurde - mutmaßlich von türkischen Sicherheitskräften. Esref Erdin, 60 Jahre alt, wurde auf dem Dach seines Hauses von einer Kugel getroffen. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Suphi Sarak, 51 Jahre alt, wurde auf offener Straße durch mehrere Schüsse in den Rücken getötet. Er hinterlässt eine Frau und zehn Kinder.

Taskin, Erdin und Sarak sind drei von vielen Menschen, die in den vergangenen Wochen und Monaten der Gewalteskalation im Südosten der Türkei zum Opfer gefallen sind. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen starben bei Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und Kämpfern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK seit dem vergangenen Herbst 170 Zivilisten. Die türkische Regierung hat nichts dafür unternommen, den Konflikt zu befrieden, im Gegenteil: Sie befeuert ihn.

An diesem Freitag empfangen Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, den türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu zu Regierungskonsultationen in Berlin. Es soll in den Gesprächen um den gemeinsamen Kampf gegen den Terror und um Fragen der Migration gehen. Wir, die Unterzeichner_innen dieses Briefes, sind uns bewusst, dass eine enge Kooperation zwischen Europa und der Türkei unumgänglich ist. Wir bitten sie jedoch zugleich: Sprechen Sie am Freitag über Zeynep Taskin, Esref Erdin, Suphi Sarak und all die anderen Opfer der Aggression im Südosten der Türkei. Sprechen Sie über Meinungsfreiheit. 27 türkische Akademiker_innen wurden vergangene Woche festgenommen, weil sie einen Friedensaufruf unterzeichnet haben, gegen viele andere wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Can Dündar, Chefredakteur der Tageszeitung „Cumhuriyet“ sitzt im Gefängnis, weil er kritisch über die türkische Regierung berichtet hat. Er ist nur einer von vielen Fällen.

Laut Amnesty International wurden syrische Flüchtlinge in der Türkei rechtswidrig inhaftiert und nach Syrien abgeschoben. Sprechen Sie am Freitag auch darüber. Die Türkei ist als Partner für Deutschland und Europa unerlässlich. Im Kampf gegen Terror ebenso wie bei dem Bemühen, den vielen Millionen geflüchteten Menschen in der Region eine Perspektive zu ermöglichen. Partnerschaft kann jedoch nicht bedeuten, bei Menschenrechtsverletzungen wegzusehen. Wir appellieren deshalb an Sie, Frau Bundeskanzlerin, sich am Freitag und in den zukünftigen Gesprächen mit der türkischen Regierung für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus in der Türkei einzusetzen.

Unterzeichner_innen: Shermin Langhoff, Intendantin Maxim Gorki Theater Navid Kermani, Autor Fatih Akin, Filmregisseur Prof. Dr. Christina von Braun, Wissenschaflterin Daniel Richter, Bildender Künstler Dani Levy, Filmregisseur Benno Fürmann, Schauspieler Katja Riemann, Schauspielerin Christian Petzold, Regisseur Margarethe von Trotta, Regisseurin, Schauspielerin und Drehbuchautorin Aysun Bademsoy, Filmregisseurin und Drehbuchautorin Jasmin Tabatabai, Schauspielerin Sibel Kekilli, Schauspielerin Imran Ayata, Autor Maximilian Popp, Journalist Prof. Dr. Naika Foroutan, Wissenschaftlerin Humboldt Universität zu Berlin Prof. em. Dr. phil. habil. Klaus J. Bade, Wissenschaftler Sibylle Berg, Autorin Oliver Polak, Komiker und Autor Moritz Rinke, Autor Olga Grjasnowa, Autorin Sasha Marianna Salzmann, Autorin Kaan Müjdeci, Filmregisseur Annemie Vanackere, Intendantin HAU Hebbel Am Ufer Carl Hegemann, Chefdramaturg Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Matthias Lilienthal, Intendant Münchner Kammerspiele Thomas Ostermeier, Künstlerische Leitung Schaubühne am Lehniner Platz Dr. Berndt Schmidt, Intendant Friedrichstadt-Palast Berlin Kirsten Niehuus, Geschäftsführung Filmförderung, Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH Amelie Deuflhard, Intendantin Kampnagel Internationale Kulturfabrik GmbH Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens André Schmitz Staatssekretär für Kultur a.D. Annika Reich, Autorin Mark Terkessidis, Wissenschaftler und Autor Nurkan Erpulat, Theaterregisseur Sebastian Nübling, Theaterregisseur Falk Richter, Theaterregisseur Philipp Ruch, Zentrum für Politische Schönheit Jens Hillje, Ko-Intendant Maxim Gorki Theater Ludwig Haugk, Chefdramaturg Maxim Gorki Theater Esra Kücük, Wissenschaftlerin und Kuratorin Çağla İlk, Kuratorin Osman Tok, Kulturmanager Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, Wissenschaftlerin Ines Kappert, Leitung des Gunda-Werner-Instituts der Heinrich-Böll-Stiftung Prof. Dr. Sabine Hark, Soziologin, Leiterin des Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin Christina Clemm, Rechtsanwältin Prof. Dr. Katharina de la Durantaye, Wissenschaftlerin Inga Humpe, Musikerin Prof. Dr. Julia Eckert, Institut für Sozialanthropologie Universität Bern Karin Sander, Künstlerin Tina Mendelsohn, Moderatorin Kulturzeit, 3sat Tanja Dückers, Schriftstellerin und Publizistin Andrea Hanna Hünniger, Autorin und Journalistin Prof. Dr. Jutta Brückner, Autorin und Regisseurin Tobias Zielony, Künstler Lisa D, Modeschöpferin Sophie Zeitz, Literaturübersetzerin Dr. Doris Bachmann-Medick, Kulturwissenschaftlerin, International Graduate Centre for the Study of Culture, Universität Gießen Marion Detjen, Historikerin, Zentrum für Zeithistorische Forschung Antje Klinge, Universitätsprofessorin Mirko Borscht, Regisseur Ayham Majid Agha, Schauspieler Cynthia Micas, Schauspielerin Mikaël Serre, Regisseur Philomene Magers, Galeristin Annett Gröschner, Autorin Miraz Bezar, Regisseur Sven Johne, Künstler Aram Tafreshian, Schauspieler Mareike Beykirch, Schauspielerin Daniel Cremer, Autor Thomas Wodianka, Schauspieler Tim Porath, Schauspieler Friederike Heller, Regisseurin Prof. Dr. Holger Noltze, Geschäftsführender Direktor Institut für Musik und Musikwissenschaft TU Dortmund Tunçay Kulaoğlu, Autor und Dramaturg Hans-Werner Kroesinger, Theaterregisseur Helgard Haug, Rimini Protokoll Stefan Kaegi, Rimini Protokoll Daniel Wetzel, Rimini Protokoll Prof. Diemut Schilling, Bildhauerin Annette Bhagwati, Wissenschaftlerin Sesede Terziyan, Schauspielerin Falilou Seck, Schauspieler Susanne Gretter, Verlagslektorin Prof. Manuela Bojadzijev, Wissenschaftlerin Dr. Serhat Karakayali, Wissenschaftler Prof. Regina Römhild, Wissenschaftlerin Ruth Reinecke, Schauspielerin Prof. Dr. Johannes Bilstein, Kunstakademie Düsseldorf Erdal Ahlatci, Unternehmer Prof. Danica Dakić, Künstlerin Osman Okkan, Filmemacher und Journalist Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Freie Universität Berlin Yael Ronen, Theaterregisseurin Hakan Savaş Mican, Regisseur Aleksandar Radenković, Schauspieler Dimitrij Schaad, Schauspieler Lobna Allamii, Musikmanagerin Prof. Dr. Stefan König, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

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