Flüchtlinge in Europa: Deutschland fordert mehr von der Türkei
Aus Sicht der EU unternimmt die Türkei zu wenig gegen die vielen Flüchtlinge. Doch Ankara verweist auf neue Maßnahmen.
Kurz vor dem Deutschlandbesuch des türkischen Premiers Ahmet Davutoglu am Freitag wird deutlich, dass die Türkei bisher nur einen kleinen Teil der Flüchtlinge aufhält, die nach Europa streben. Laut einer Bilanz der türkischen Küstenwache wurden im vergangenen Jahr rund 90 000 Menschen auf dem Weg nach Griechenland aufgegriffen – doch in Griechenland kamen im selben Zeitraum mehr als 800 000 Flüchtlinge an. Türkische Regierungsvertreter verweisen zwar darauf, dass ihr Land auch im Moment jeden Tag rund 500 Flüchtlinge abfängt. Doch trotz des kalten und stürmischen Winterwetters in der Ägäis kommen derzeit jeden Tag immer noch bis zu 3000 Menschen in Griechenland an; im vergangenen Sommer waren es zeitweise bis zu 10 000 pro Tag.
Athen wirft insbesondere den türkischen Hafenbehörden deshalb eine Zusammenarbeit mit Menschenschmugglern vor. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel wird Davutoglu am Freitag bei den ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen in Berlin wohl zu einem entschiedeneren Handeln auffordern. Der türkische Ministerpräsident seinerseits dürfte darauf verweisen, dass seine Regierung einige Verbesserungen für syrische Flüchtlinge plant. So hat das Kabinett eine Neuordnung beschlossen, nach der Syrer in der Türkei künftig arbeiten dürfen.
Nach Angaben von Regierungspolitikern soll damit die illegale Beschäftigung von Flüchtlingen bekämpft werden; zudem sollen die Menschen mit dem geregelten Einkommen einen Anreiz erhalten, in der Türkei zu bleiben. Grundsätzlich dürfen aber nur zehn Prozent der Arbeitsplätze in einem Betrieb mit Flüchtlingen besetzt werden. In strukturschwachen Gebieten könnte diese Begrenzung dazu führen, dass viele Syrer keine Arbeit finden.
Probleme mit EU-Hilfen
Ankara sorgt sich um die zugesagten drei Milliarden Euro an Hilfe der EU, deren Finanzierung EU-intern umstritten ist. Der türkische EU-Minister Volkan Bozkir sagte, sein Land erwarte, dass die Europäer ihr Versprechen hielten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gab Probleme mit der Finanzierung des Hilfspaketes zu. Einige EU-Länder hätten der Lösung bisher nicht zugestimmt, sagte er nach türkischen Medienberichten. Wenn die EU ihren Verpflichtungen nicht nachkomme, könne sie auch nicht von der Türkei verlangen, ihre Zusagen einzuhalten.
Auch bei den Themen Meinungsfreiheit und Kurden dürfte es in Berlin nicht gerade harmonisch zugehen. Die türkisch-deutsche Kurdenpolitikerin Feleknas Uca warnte, demnächst könnten sich nicht nur Syrer, sondern auch mehrere hunderttausend Kurden wegen der heftigen Gefechte im Kurdengebiet auf den Weg nach Europa machen. Sie warf den türkischen Sicherheitskräften schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Es gebe Berichte, wonach Armee und Polizei im Kurdengebiet auch deutsche Waffen gegen Zivilisten einsetzten. Uca rief Merkel und die EU auf, sie sollten die türkische Regierung zu einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Kurden bewegen. Seit Monaten liefern sich türkische Sicherheitskräfte und Kämpfer der kurdischen Rebellengruppe PKK mitten in dicht besiedelten Stadtvierteln in Südostanatolien schwere Gefechte.