Berlin Art Week: Ob Jeans oder Anzug – alles geht
Ein Glanzpunkt im Kulturkalender, attraktiv wie nie: Nächste Woche beginnt die Berlin Art Week, deren Programm nun offiziell vorgestellt wurde
Es gibt Bärte, High Heels, Turnschuhe, Jeans mit breitem Umschlag und mindestens einen dunkelblauen Anzug. All dies auf dem Podium zur Berlin Art Week, das fast aus seinen Nähten platzt vor lauter Akteuren. Aber klar: Jeder will bei der ersten offiziellen Vorstellung des Programms im me Collectors Room dabei sein.
Häuser wie das benachbarte KW Institute for Contemporary Art auf der Auguststraße oder der Neue Berliner Kunstverein (NBK), die beide für ihre Ausstellungen werben. Anke Sahlén von der Berliner Geschäftsleitung der Deutschen Bank, die nicht bloß seit vier Jahren ein fester Partner der Art Week ist, sondern mit Simon Njami auch einen international gefragten Kurator für die kommende Schau „Xenopolis“ in der Kunsthalle des Unternehmens verpflichtet hat. Staatssekretär Guido Beermann tritt für das Wirtschaftsressort der Senatsverwaltung auf, die das Projekt mit einer halben Million Euro unterstützt. Weil die Art Week ein „Glanzpunkt“ im Kalender ist, wie Beermann betont. Und wichtig für Berlins Kunstbetrieb, der „für 6600 Jobs in der Stadt und rund siebenhundert Millionen Euro Umsatz jährlich sorgt“.
Die Gelder des Senats, das Ego der Sammler, die großen Galerien, die Off-Szene - alles versammelt
So weit die wirtschaftliche Perspektive. Tim Renner als Staatssekretär für kulturelle Aufgaben lenkt die Rede denn auch gleich auf Inhalte. Tatsächlich hält die Art Week, die vom 15. bis 20. September über die Stadt verteilt Platz nimmt, auch diesmal ihre Balance: Zu den beiden offiziellen Kunstmessen Art Berlin Contemporary (abc) und Positions Berlin gesellen sich Ausstellungen der Kommunalen Galerien wie zahlreicher freier Projekträume, die während der Woche vom Senat finanziell unterstützt werden. Renner weiß nur zu gut um ihre Funktion als Basis und Sprungbrett junger Talente. Darüber wölbt sich mit „Stadt/Bild“ eine übergreifende Schau, die mit der „Stadt als politischem Raum“, ein virulentes Thema behandelt – statt wie 2013 mit einem Lob auf die Malerei den Messen Konkurrenz zu machen. Neben der Kunsthalle und den KW sind daran die Neue Nationalgalerie und die Berlinische Galerie beteiligt; Letztere mit einem Projekt des Architekten Arno Brandlhuber, der unrealisierte Projekte vorstellt. Auch das zeichnet ein Bild der Stadt.
Sammler Thomas Olbricht ist nicht bloß Gastgeber des ersten großen Auftritts aller Involvierten. Sein me Collectors Room wird zur Eröffnung der abc auch jene 100 auswärtigen Sammler aufnehmen, die schon traditionell zum geschlossenen Dinner kommen. Parallel zeigt er mit inszenierten Fotografien von Cindy Sherman ab 16. September eine global renommierte Künstlerin. Hinzu kommt das Haus am Waldsee mit einer umfassenden Präsentation der jungen, mit zahlreichen Preisen versehenen Alicja Kwade oder die Auszeichnung des in Berlin lebenden Malers Bernard Frize mit dem Käthe-Kollwitz-Preis.
Die Liste ließe sich munter fortschreiben, ist aber auch unter www.berlinartweek.de einsehbar. Was deutlich wird: Es gibt einen Lernprozess, der diese vierte Art Week zur bislang attraktivsten macht. Dazu gehört auch die dezentrale Eröffnung am 15. September an sieben Adressen. Wer vergangenes Jahr versucht hat, die übervolle Akademie der Künste zur offiziellen Vernissage zu entern, wird diese Entscheidung schätzen. Und sie sagt etwas über die gewollt unhierarchische Struktur des Projekts, in dem von Jeans bis Anzug alles geht: Dass nämlich alle Zuständigen wissen, wie sehr die „Ressource Berlin“ (Tim Renner) von ihrer immer noch attraktiven Mischung lebt. Von den professionellen Galerien wie vom Experiment, das vorrangig im Off-Space der Projekträume gedeiht. Vom Ego der Sammler wie von den Geldern des Senats, der nach dem Ende des Art Forums 2012 schnell gesehen hat, wie fragil der Berliner Kunstherbst ist. Immer noch.