Debatte um Kolonialkunst: Neu denken lernen
Der Bundestag debattiert über die Rückgabe von Kolonialkunst – und einen Erinnerungsort.
Dass Kunst, die einst in deutschen Kolonien geraubt wurde, nicht mehr einfach so in deutschen Museen ausgestellt werden kann, darüber herrscht weitgehend Konsens. Auch darüber, dass es einen blinden Fleck in der deutschen Geschichte gibt. Gut möglich, dass ein Jugendlicher aus Deutschland in den Ferien nach Kamerun oder Namibia reist und gar nicht ahnt, dass seine Vorfahren dort als Kolonisierer gewütet haben. Das soll sich ändern.
Grüne fordern mehr Provenienzforschung
Die Aufarbeitung des Kolonialismus ist ja immerhin erstmals im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die Staatsministerinnen Michelle Müntefering und Monika Grütters haben sich ausdrücklich dazu bekannt: mehr Geld für Provenienzforschung für koloniale Objekte, Zusammenarbeit mit Afrika, verstärkter Kulturaustausch. Vielen geht das zu langsam, passiert zu wenig. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert nun nicht nur gesetzliche Grundlagen für Provenienzforschung und Restitution von Kulturgütern aus Afrika, sondern auch einen Erinnerungs- und Lernort in Berlin, unabhängig vom Humboldt Forum. Mit diesem Antrag hat sich am Donnerstagabend der Bundestag in einer Debatte beschäftigt. Nun soll das Anliegen zur Beratung in den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen werden.
AfD gegen Aufarbeitung
Auch wenn alle Parteien – außer der AfD – die Aufarbeitung der Kolonialzeit begrüßen, gibt es kaum Unterstützer für die baldige Errichtung eines Erinnerungsorts. „Keinem ist geholfen, wenn kurzfristig eine Erinnerungsstätte gebaut wird“, sagte der Abgeordnete Ansgar Heveling von der Fraktion CDU/CSU. Ein solcher Schritt könne nicht am Anfang der Debatte stehen. Und da stehen wir in Deutschland: ganz am Anfang. Stattdessen erst einmal Grundlagen schaffen. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, die sich im Rahmen der Kulturministerkonferenz formierte, tüftelt offenbar an einer gemeinsamen Positionierung zum Umgang mit kolonialen Kulturgütern, die ja nicht nur in großen ethnologischen Museen, sondern auch in Stadtmuseen, Kirchen und kommunalen Einrichtungen liegen können. Auch der 2018 veröffentlichte Leitfaden des Deutschen Museumsbundes soll eine Aktualisierung erhalten.
16 Forscher in Berlin
Laut dem AfD-Abgeordneten Marc Jongen kultiviere Deutschland einen Schuldkomplex, es drohe „der weitere Ausverkauf unseres Landes“. Eine Anfrage der AfD, wie viele Mitarbeiter im Berliner Ethnologischen Museum und im Museum für Asiatische Kunst mit Provenienzforschung beschäftigt sind, ergab: Es sind zehn beziehungsweise 16. Im Grunde also viel zu wenige. SPD-Abgeordnete Helge Lindh schlägt indes vor, in Bezug auf afrikanische Sammlungsstücke in deutschen Museen die Kontrolle abzugeben. Es sei nicht an uns zu entscheiden, was mit diesen Objekten geschehen soll. Die afrikanischen Länder müssten hier das Sagen haben. Es wird dauern, die eurozentrische Perspektive, vielleicht auch den Reflex des Helfenwollens abzulegen – und muss von allen, in der gesellschaftlichen Breite geleistet werden, nicht nur von einigen Spezialisten. Europa muss neu denken lernen. Und wenn wir damit vorangekommen sind, gibt es vielleicht auch ganz andere Ideen dazu, wie ein Erinnerungsort aussehen könnte.