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Die US-amerikanische Opernsängerin Joyce DiDonato.
© Universal

Joyce DiDonato in der Philharmonie: Nebel wallen, Schleier glitzern

Schillerndes Kleid, buntes Make-Up, entblößte Tänzer: Joyce DiDonato singt Barockarien in der Philharmonie - und spielt lustvoll mit dem Bild der Diva.

Einerseits wäre der Aufwand nicht nötig gewesen: Mit Sicherheit hätte Joyce DiDonato auch eine jubelnde Philharmonie vor sich gehabt, wenn sie ihr leidenschaftliches Barockarienprogramm brav im Abendkleid von der Rampe abgeliefert hätte. Denn die Intensität und Ausdruckskraft ihres Soprans ist enorm, ihre Technik trotz angekündigter leichter Indisposition stupend, und die Bandbreite ihrer Emotion beeindruckt: Diese reicht vom schlichten „Lascia, ch'io pianga“ über die im wunderbar sinistren Dialog mit der Oboe entfalteten Rachefantasien von Händels Agrippina bis hin zu virtuosen idyllischen Träumereien seiner trillernd mit den Vögeln wetteifernden Prinzessin Almirena.

Und dennoch: Schon allein angesichts der exaltierten Bilderwelt des Barock ist es nur zu verständlich, wenn sich die amerikanische Sopranistin nicht damit abfindet, dass der Pop der Klassik den Begriff der „Diva“ geradezu entführt hat und seine Stars in aufwendigen Bühnenshows schwelgen lässt, während sich die wahren Erbinnen der Diven mit einem Konzertritual aus dem 19. Jahrhundert begnügen müssen.

Nähe zur Camp-Ästhetik

Zusammen mit dem Filmemacher Ralf Pleger hat DiDonato für ihr Programm eine szenische Umsetzung entworfen, die lustvoll mit dem Bild der Diva spielt und es in aktuelle Bildwelten überführt. Wie bei dem ebenfalls in Zusammenarbeit mit Pleger entstandenen Film „Die Florence Foster Jenkins Story“ setzt sie dabei auf die Nähe zur Camp-Ästhetik: Kunstnebel umwallt ihr barockisierendes schillerndes Kleid, während Gesicht und Brust von fantastisch buntem Make-up geziert sind. Zu pathetischen Ausrufen steigen dramatische Lichtsäulen aus den auf der Bühne postierten Scheinwerfern in die Höhe, dann wiederum spielt sie verträumt mit einem transparenten glitzernden Schleier. Stets ist der Tänzer Manuel Palazzo mit entblößtem Oberkörper präsent, der dem Betrachter zwar kein Rilke’sches „Du musst dein Leben ändern“ entgegenschleudert, ihn aber an die ganz irdisch-körperliche Dimension divenhaften Begehrens erinnert.

Auch wenn nicht jede der oft filmisch gedachten Bildideen in der starren Totale des Zuschauerblickwinkels aufgeht und die Grenze zu echtem Kitsch bisweilen überschritten ist, wird die Musik durch den Mut zur szenischen Selbstentäußerung doch nie beschädigt. Und dies ist auch das Verdienst des unter Maxim Emelyanychev aufspielenden Ensembles Il Pomo d'Oro, dessen Mitglieder Virtuosität auf zum Teil mehreren Instrumenten mit einer ernsthaften Präsenz verbinden, die wie jene DiDonatos keinen Ton um des bloßen Effekts willen verzerren oder verraten würde.

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