Saoirse Ronan als "Maria Stuart": Natürlich Feministin
Saoirse Ronan hat mit 24 Jahren schon drei Oscar-Nominierungen. Auf ihre Rolle als "Maria Stuart, Königin von Schottland" ist sie besonders stolz. Eine Begegnung.
„Stilles Wasser oder mit Sprudel?“ Helle blaue Augen blicken einen prüfend an, bevor man sich überhaupt gesetzt hat. Einen ganzen Interviewtag hat Saoirse Ronan schon hinter sich, ihre gute Kinderstube vergisst die Schauspielerin darüber nicht. Aber erst mal ankommen. Sie insistiert freundlich: „Still oder Sprudel? Ist die Luft im Raum stickig?", fragt sie und öffnet, ohne die Antwort abzuwarten, ein Fenster. Ihre Fürsorge ist kein professionelles Höflichkeitsgeplänkel.
Es sagt einiges über Saoirse Ronan, dass sie ihrem Gesprächspartner die kurze Zeit, die ihr voller Terminplan hergibt, so angenehm wie möglich gestalten möchte. Smalltalk liegt ihr nicht. Man merkt, dass sie trotz ihrer 24 Jahre fast schon eine Veteranin ist: Ihre Worte sind genauso gewählt wie ihre Filmrollen.
Saoirse Ronan, 1994 als Kind irischer Eltern in New York geboren und mit drei Jahren wieder in die Heimat ausgewandert, war schon immer etwas früher dran als ihre Altersgenossinnen. Fürs Fernsehen stand sie das erste Mal mit acht vor der Kamera, ihre erste Oscar-Nominierung erhielt sie mit 13 für die Nebenrolle der jungen Briony Tallis in der Verfilmung von Ian McEwans „Abbitte“. Vier Jahre später spielte sie an der Seite von Cate Blanchett eine minderjährige Auftragskillerin in dem Teen-Thriller „Wer ist Hanna?“, 2015 folgte die zweite Oscar-Nominierung für ihre irische Migrantin Eilis in „Brooklyn“.
Das Kino entdeckte Maria Stuart früh
Mit 23 war Saoirse Ronan im vergangenen Jahr die jüngste Schauspielerin mit drei Oscar-Nominierungen, diesmal für ihre Hauptrolle in Greta Gerwigs Regiedebüt „Lady Bird“. Sie spielt einen widerspenstigen Teenager, der eines Tages beschließt, den Mädchennamen Christine abzulegen. Es erscheint nur konsequent, dass Ronan jetzt als schottische Nationalikone in „Maria Stuart, Königin von Schottland“ zu sehen ist. Stuart erbte sechs Tage nach ihrer Geburt im Jahr 1542 den schottischen Thron.
Maria Stuart ist eine ambivalente historische Figur, die auch vom Kino früh entdeckt wurde. Erstmals 1895 mit „The Execution of Mary Stuart“ von Thomas Alva Edison. Der Stoff hat alles, was großes Kino braucht: Politik, Intrigen, menschliches Drama. Eine katholische Thronfolgerin im protestantischen England, aus dem Königreich nach Frankreich geflüchtet, mit 16 Jahren Königin von Frankreich – ein Bündnispartner der schottischen Krone – und bald darauf schon wieder Witwe. Sie war selbst noch ein Teenager, als sie nach England zurückkehrte, um ihrer Cousine Elisabeth, der Tochter von Heinrich VIII., den Thron des englischen Königshauses streitig zu machen, der ihr rechtmäßig zustand.
Historiker meinten es lange nicht gut mit Maria Stuart. Sie soll am Tod ihres Mannes Schuld gewesen sein, angeblich war sie Mitwisserin in einem politischen Komplott, später heiratete sie seinen vermeintlichen Mörder. Ein Hauch von „Game of Thrones“ klingt in ihrer Biografie an, nur ohne Drachen. Wer die Filme von Saoirse Ronans kennt – was trotz drei Oscar-Nominierungen immer noch zu wenige Kinogänger sind (selbst ihren Vornamen wissen die wenigstens korrekt auszusprechen: Sörscha mit scharfem S) –, kann sie sich einerseits kaum in der Rolle der martialischen Königin vorstellen, obwohl Maria Stuart eigentlich perfekt in ihr bisheriges Rollenprofil passt.
Madonnenhafte Blässe, strahlend blaue Augen
Vor allem, weil sie eine natürliche Anmut besitzt, die sich Schauspielerinnen nur schwer antrainieren können. Ronans madonnenhafte Blässe und ihre blauen Augen lassen ihr Spiel fast transparent erscheinen, verletzlich und roh. „Gritty“ nennt sie diese Eigenschaften, meint damit aber ihr Vorbild Lena Dunham („Girls“). Ronan gehört wie Dunham und Gerwig zu einer neuen Generation von jungen Frauen, deren Stimmen in der Filmbranche lange ungehört blieben.
„Ich hab mich Maria Stuart nicht mit dem Gedanken angenähert, dass sie eine Feministin war“, erzählt sie mit ihrem melodischen, irischen Einschlag. „Diese Sensibilität wurde mir – und hoffentlich den meisten Menschen meines Alters – ohnehin mit in die Wiege gelegt. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem ich früh lernte, was es heißt, Selbstwertgefühl zu besitzen und unabhängig zu sein. Darum fühle ich mich zu solchen Rollen hingezogen. Man muss ein persönliches Verhältnis zu seinen Figuren entwickeln, das ist ein emotionaler Prozess.“
Der Mythos Maria Stuart modernisiert
Ihre Maria Stuart ist eine zeitgemäße, stellenweise leicht plakative Interpretation des Mythos, zwischen Sofia Coppolas „Marie Antoinette“ (minus der Pop-Zitate) und Daenerys Targaryen aus „Game of Thrones“. Schon vor Jahren boten die Produzenten Ronan die Rolle an, das Projekt wurde mehrfach verschoben. Zuletzt ging es schnell. Ob sie glaubt, dass es in den vergangenen zwei Jahren leichter geworden sei, Filme mit weiblichen Hauptrollen finanziert zu bekommen? Sie nickt und lacht. „Ich höre gerade oft, dass es inzwischen immer schwieriger wird, Filme mit einem weißen, männlichen Hauptdarsteller zu finanzieren. Naja, ob das stimmt. Tatsache ist, dass zum Beispiel historische Filme über Frauen gerade wie Pilze aus dem Boden schießen.“
Über die Jahre wurde das Drehbuch von Beau Willimon („House of Cards“) auch mit ihrer Hilfe immer wieder überarbeitet, erzählt Ronan, so konnte sie die Rolle in eine Richtung entwickeln, die ihren Vorstellungen entsprach. „Maria Stuart wurde meine Traumrolle, nachdem ich sie bekommen hatte.“ Erkennt sie manchmal schon am Drehbuch, ob es von einer Autorin oder einem Autor stammt? „Ja, das kann passieren. Es sind oft nur Details, die den männlichen Autor verraten, eine bestimmte Sichtweise, die auf eine Außenperspektive schließen lässt. Oder wenn ein weiblicher Blick zu stark verklärt wird.“
„Maria Stuart, Königin von Schottland“, das Kinodebüt der englischen Theaterregisseurin Josie Rourke, ist eine Revision der Legenden, die um Maria kursieren. Ihr Sekretär David Rizzio (Ismael Cruz Cordova), dem eine Affäre mit der Königin nachgesagt wurde, scharwenzelt wie ein flamboyanter Pfau um die Hofdamen herum. Auch die Konkurrenz zwischen den Königinnen (Margot Robbie spielt Elisabeth am Rande des Camp, am Schluss sogar im Horrorclown-Kostüm) entpuppt sich als tragische Intrige – der Männer. Vor allem William Cecil (Guy Pearce) versucht die Frauen gegeneinander aufzuwiegeln, um seine eigene Macht zu erhalten. „Spiele ihrem Hass nicht zu“, fleht Maria Elisabeth bei ihrer einzigen Begegnung im Film an – ein Treffen, das es in Wirklichkeit nie gegeben hat.
Männer schrieben ihre Geschichte
„Maria Stuart hatte lange einen so schlechten Ruf,“ sagt Ronan, „weil ihre Geschichte von Männern geschrieben wurde, die zudem eine katholische Königin ablehnten. William Cecil war loyal gegenüber Elisabeth, der er die Vereinigung Großbritanniens zutraute – obwohl er an den Parlamentarismus glaubte. Um seine Interessen durchzusetzen, verhinderte er Marias Aufstieg, brachte sie in Verruf.“
Für junge Schauspielerinnen bricht gerade eine goldene Ära an. Saoirse Ronan kann es sich heute erlauben, wählerischer zu sein. „Ich habe noch selbst erlebt, dass es keine interessanten Hauptrollen mehr gab, als ich 18 wurde. Plötzlich wurde mir nur noch die Tochter, die Schwester oder die Freundin angeboten. Ein Film wie ,Lady Bird’ war die Ausnahme." Gerade hat sie ihren zweiten Film mit Gerwig abgedreht, neben Meryl Streep und Emma Watson.
Gerwig und Ronan, das ist eine Traumpaarung, ähnlich wegweisend wie in den nuller Jahren Sofia Coppola und Kirsten Dunst. „Sofia war lange Zeit die einzige Regisseurin, die Filme für junge Frauen gedreht hat.“ Gerwig habe ihr erstmals die Chance gegeben, eine große Rolle in einem Film zu spielen, der in unserer Zeit angesiedelt ist. Mit dem verstockten Teenager ,Lady Bird’ konnte sie sich als Millennial identifizieren. Nebenbei bewies sie auch ihren trockenen Humor. Ihren Respekt vor dem Comedy-Genre habe sie nun auch abgelegt. Mit gerade mal 24 Jahren scheint Saoirse Ronan bereits in ihre zweite Karrierephase einzutreten.
Ab Donnerstag in 16 Berliner Kinos, OV: Cinestar Sony Center, OmU: Hackesche Höfe, International, Kulturbrauerei, Odeon, Rollberg
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