Berliner Baudenkmale: Nachkriegsmoderne Ost und West
Berlins Baudenkmale: Karl-Marx-Allee und Hansaviertel sollen auf die Welterbeliste.
Der Ort hätte nicht besser gewählt sein können: Bislang hatte das Deutsche Nationalkomitee von Icomos e.V., dem Zusammenschluss der Hüter des deutschen Weltkulturerbes, auf die Berliner Museumsinsel geladen, dem prominentesten Berliner Denkmalensemble auf der Unesco-Welterbeliste. In diesem Jahr fand die Jahrespressekonferenz der deutschen Icomos-Sektion – die Abkürzung steht für International Council on Monuments und Sites – in der Galerie Capitain Petzel an der Karl-Marx-Allee statt. In dem 1964 errichteten transparenten Pavillon nahe des Kinos International informierte der Berliner Landeskonservator Jörg Haspel, der zugleich Präsident von Icomos Deutschland ist, gemeinsam mit weiteren Vorstandsmitgliedern über die aktuellen Entwicklungen beim schützenswerten Kultur- und Naturerbe in Deutschland. Direkt hinter dem Podium lieferte eine riesige, abenteuerlich verbogene Feuertreppe der polnischen Bildhauerin Monika Sosnowska den ironischen Kommentar zum Zustand der Nachkriegsmoderne, der auch deutsche Denkmalaktivisten zunehmend umtreibt – nicht nur an der Karl-Marx-Allee.
Es gibt in Europa wenige so hochrangige Baurelikte des Kalten Krieges
Als herausragendes Beispiel der Ostmoderne in der Nachkriegszeit soll die Karl-Marx-Allee zusammen mit ihrem West-Berliner Pendant, dem Hansaviertel, nach dem Willen von Icomos Deutschland und dem Berliner Senat auf die Welterbeliste nachrücken. Derzeit wird der Antrag von der Kultusministerkonferenz geprüft, die darüber zu entscheiden hat, welche nationalen Wunschkandidaten dem Unesco-Welterbekomitee zur Aufnahme vorgeschlagen werden. Jörg Haspel rechnet frühestens gegen Mitte des Jahres mit einer Vorentscheidung der Kultusminister: Die Chancen für Berlin stünden jedoch nicht schlecht, da keine andere europäische Stadt hochrangige Baudenkmale vorzuweisen hat, die als Relikte des Kalten Krieges als gebauter Beweis und Gegenbeweis für die Überlegenheit des jeweiligen politischen Systems konzipiert worden sind.
Vor einigen Jahren fiel dem in Paris ansässigen Welterbekomitee auf, dass die Verteilung der Welterbestätten global höchst ungleichgewichtig zugunsten Europas und der klassischen Denkmalsgattungen – Kirchen, Burgen, Schlösser – ausfällt. Seither haben Nominierungen aus Europa nur noch dann hohe Chancen, wenn sie Lücken füllen: etwa die unterrepräsentierte Baukunst der Moderne oder der Industriekultur. Haspel, sein Stellvertreter Christoph Machat, Icomos-Generalsekretärin Sigrid Brandt und der Architekt und Denkmalpfleger Berthold Burkhardt stellten eine aktuelle Publikation in der Reihe der Icomos-Hefte des Deutschen Nationalkomitees vor, die sich der Architektur des Sozialistischen Realismus und der Sozialistischen Moderne in Mittel- und Osteuropa widmet. Die Karl-Marx-Allee und – als stets mitzudenkendes Komplementär – das Hansaviertel werden darin vorgestellt.
Experten aus Deutschland, Polen, Tschechien, aber auch aus Weißrussland, der Ukraine, den baltischen Ländern und den Staaten des ehemaligen Jugoslawien beginnen sich – nicht zuletzt dank deutscher Anregungen – für die sozialistische Spielart der Nachkriegsmoderne zu interessieren. Dass dieses Interesse nicht überall auf Gegenliebe stößt, war hierzulande zuletzt bei der von Haspel in seiner Funktion als Landeskonservator angestoßenen Diskussion um den Denkmalwert der 60er-Jahre-Bauten am Alexanderplatz zu spüren.
Viele deutsche Welterbestätten sind durch Zubau gefährdet
Der Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden, der letztlich zur Streichung des Dresdner Elbtals von der Welterbeliste führte, hat eindringlich vorgeführt, dass es mit der Aufnahme in die Unesco-Liste nicht getan ist. Das internationale Icomos-Regularium sieht hier ein präventives Monitoringverfahren vor, bei dem unabhängige Experten die auf der Unesco-Liste verzeichneten Welterbestätten regelmäßig besuchen und bemüht sind, mögliche Gefahren für deren Erhaltung und Pflege rechtzeitig zu erkennen. Berthold Burkhardt, Sprecher der Welterbe-Monitoring-Gruppe des Deutschen Nationalkomitees, sieht bei den derzeit 38 deutschen Welterbestätten neben touristischen Problemen durch zu hohe Besucherzahlen vor allem Gefahren durch den zunehmenden Güterverkehr – etwa an der Loreley im mittleren Rheintal – und durch den ungezügelten Zubau von Solarfeldern und Windkraftanlagen. Die neue Generation der Windräder mit einer Höhe von über 200 Metern ist bei gutem Wetter bis zu 15 Kilometer weit sichtbar. Da helfen auch die Pufferzonen nicht mehr, die in der unmittelbaren Umgebung von Erbestätten ungeeignete Nutzungen verhindern sollen. Vis-à-vis der Wartburg konnte eine „Verspargelung“ der Kulturlandschaft gerade noch verhindert werden.
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