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Vor und nach der Wende hat der Filmpalast bewegte Zeiten erlebt.
© Christian Mang

Kino International wird 50: Das Kino ist der Star

50 Jahre Filmgeschichte: Früher wurden im International Defa-Premieren gezeigt, heute schätzt auch die Berlinale das Lichtspielhaus.

Am schönsten sind die riesigen Panoramafenster: Wenn das Licht durchs Glas aus dem vorstehenden Obergeschoss auf die Straße fällt, die Gäste reden und trinken, wird der Passant unwillkürlich einbezogen: Komm rein. Hier wird dir einiges geboten. Kino, so weit das Auge reicht. Aber auch gemütliche Sessel, kalte Getränke, heiße Gespräche, ehe man den Saal betritt. Da sitzen über 500 Leute unter einer geradezu fliegenden Stuckdecke, flankiert von hölzerner Wandverkleidung, und vor der Leinwand hängt ein glitzernder Paillettenvorhang. Wenn der zur Seite rauscht, dann bedeutet das: „Film ab!“. Das Spiel soll beginnen.

Das Kino International im neuen Teil der Karl-Marx-Allee wird in diesen Tagen 50 Jahre alt. Das Defa-Premierenkino war am 15. November 1963 mit dem sowjetischen Revolutionsdrama „Optimistische Tragödie“ eröffnet worden. Ein halbes Jahrhundert Film am Ende der Allee, von Anfang an ein prägendes Gebäude. Die Architekten Josef Kaiser und Heinz Aust haben mit dem freistehenden Stahlbeton-Skelettbau gegenüber ihrem Café Moskau und neben der Mocca-Milch-Eis-Bar ein Kino von zeitloser Modernität entworfen, das unter Denkmalschutz steht und mit dem Cineasten interessante Erlebnisse verbindet. Am meisten wohl jene, die am 9. November 1989 in der Premiere von „Coming out“ saßen. Während in Berlin-Mitte der erste Defa-Film zum Thema Homosexualität beklatscht wurde, ging ein paar Kilometer weiter in der Bornholmer Straße die Mauer auf. Und plötzlich waren die Premierengäste verschwunden. . .

Film ab. Das Kino International feiert seinen 50. Geburtstag.
Film ab. Das Kino International feiert seinen 50. Geburtstag.
© Christian Mang

Anfang Juli 1966 hatten sich im Zuschauerraum inszenierte Szenen abgespielt, die an die dunkelsten Zeiten des Stalinismus erinnerten: In der zweiten Vorstellung nach der Premiere von „Spur der Steine“ begannen plötzlich „klassenbewußte Werktätige“, die Vorstellung zu stören. 95 Prozent der Besucher ertrugen die Zwischenrufe der von der Partei abkommandierten Claqueure („Das ist eine Verunglimpfung der Arbeiterklasse!“, „Aufhören!“ „So sind unsere Menschen nicht!“ „Den Regisseur müsste man einsperren!“), bis jemand wütend in den Saal rief: „Wenn es Ihnen nicht passt, dann gehen Sie doch ’raus!“ Der Regisseur Frank Beyer blieb besonnen. Aber in ihm kochte es, selbst im dunklen Kino nahmen die in der Nähe Sitzenden wahr, wie sich sein Gesicht dunkelrot färbte. Es war eine pessimistische Tragödie. Der Film wurde verboten. Erst 23 Jahre später, am 23. November 1989, durfte Frank Beyer im International noch einmal den Premierenbeifall ohne Störung genießen.

Nach der Wende übernahm die Yorck-Kinogruppe das Kino International

Und wenn wir gerade bei Premieren sind: „Lotte in Weimar“ kam hier 1976 mit der Kutsche vorgefahren, Konrad Wolfs „Solo Sunny“ von 1980 sang sich in die Gefühle der 100 000 Zuschauer – es war der erfolgreichste Magnet für dieses Kino. Um seinem Namen gerecht zu werden, kamen hier auch vor der Wende internationale Streifen auf die Leinwand und füllten die Kasse: „Cabaret“, „Die verlorene Ehe der Katharina Blum“, „Jenseits von Afrika“ oder „Dirty Dancing“.

Nach der Wende übernahm die Yorck-Kinogruppe das Haus, dem zunächst eine Zweckentfremdung gedroht hatte, denn es sollte zum Kongresszentrum für das benachbarte Hotel Berolina umgebaut werden. Schon im Februar wurde das Filmtheater zur Spielstätte der Berlinale. Heute schwärmen die Yorck-Geschäftsführer Christian Bräuer und Heinrich-Georg Kloster von der Perle in der Kette ihrer zwölf Berliner Kinos. Der Jubilar sei für den Osten das, was das Delphi für den Westen ist. „Eigentlich ist es ein Privileg, einen Film in so einem schönen Kino sehen zu dürfen“, sagt Christian Bräuer – gegen manche Super-Großkinos wirkt das International seriös, gemütlich, familiär. „Mit seiner zeitlosen Eleganz, dem atemberaubenden Entree und dem perfekt proportionierten Saal ist das Kino zur architektonischen Ikone geworden, die nach einer technischen Runderneuerung im Jubiläumsjahr höchsten Ansprüchen genügt“, sagen die Geschäftsführer.

Wo einst Claqueure des Regimes Vorstellungen störten, werden heute nur noch die schönen Traditionen gepflegt.
Wo einst Claqueure des Regimes Vorstellungen störten, werden heute nur noch die schönen Traditionen gepflegt.
© Christian Mang

Dazu gehört die gute alte Sitte, für jeden Film ein Plakat von neun mal sechs Meter in einem Reinickendorfer Atelier malen zu lassen, das gibt es nur noch am Delphi, Cinema Paris und beim Filmtheater Friedrichshain. Traditionspflege nennt man das, freilich muss nicht alles erhalten werden. In einer der vorderen Reihen waren fünf Stühle ausgebaut, um der Staatsprominenz, wenn sie denn zu Premieren kam, etwas Beinfreiheit zu gewähren. Und seit 1994 sind die Sessel mit blauem Stoff bezogen – der Teppich für die Premierengäste ist nach wie vor rot.

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