"Kunsthaus Dahlem" eröffnet: Nachkriegskunst im NS-Atelier
Dort, wo einst NS-Staatsbildhauers Arno Breker für Hitler arbeitete, zieht jetzt die Kunst der Nachkriegsmoderne ein. Im "Kunsthaus Dahlem" prallen damit nicht nur politische Welten aufeinander - sondern auch kulturelle.
Es sollte eine Protzmeile der Kunstproduktion werden, angesiedelt zwischen Kronprinzenallee und Grunewald. Zwanzig monumentale Ateliers schwebten dem Generalbauinspektor Albert Speer für die zukünftige Reichshauptstadt Germania vor. Darin sollten Hitlers bevorzugte Maler, Bildhauer und Architekten arbeiten und Gäste empfangen. Das Atelier Arno Brekers, Hitlers Lieblingskünstler, war 1939 als erstes fertig – und es blieb das einzige.
Lange Zeit wurde kaum über das Breker-Atelier in Berlin gesprochen. Nun wird das Gebäude inmitten eines beschaulichen Wohngebiets zum ersten Mal für Publikum zugänglich gemacht. Am Freitag eröffnet es unter dem Namen „Kunsthaus Dahlem“ als Ausstellungsort für die Nachkriegsmoderne. Wo Breker einst Heldenkörper und Hitler-Köpfe schuf, halten nun Werke ehemals verfemter Künstler Einzug. Nachkriegskunst im NS-Staatsatelier, geht das gut?
1,2 Millionen Euro gab die Lottostiftung zur Renovierung des denkmalgeschützten Baus. Dafür hat sich Klaus Wowereit noch in seinem Amt als Regierender Bürgermeister und Kultursenator starkgemacht. Während das lang gestreckte Backstein-Ensemble von außen dezent aussieht, wirkt es im Innern umso mächtiger. In den Siebzigern war das Haus in kleinere Parzellen für Künstler unterteilt worden, nun ist es wieder in den Originalzustand zurückgebracht. Das fast 300 Quadratmeter große Hauptatelier hat riesige Fenster von der Decke bis zum Boden. Die Flügeltüren an beiden Seiten des Saals sind neun Meter hoch. Der Besucher fühlt sich wie ein Zwerg. Genau das war die Absicht der NS-Bauherren.
Ein Haus im Wandel der Zeit
Nun sind die Wände in elegantem Grau gestrichen, eine Empore ist eingezogen. Dorothea Schöne, die neue Leiterin des Hauses, zeigt in ihrer ersten Ausstellung 70 Plastiken, Zeichnungen und Gemälde der Jahre 1945 bis 1955. „Portrait Berlin“ beschäftigt sich mit der Darstellung des Körpers nach 1945 in der Kunst. Wie näherten sich die Künstler dem Sujet nach zwölf Jahren Diktatur, in denen der Körper für Propagandazwecke missbraucht wurde? Welche figürlichen Traditionen blieben erhalten, welche Formen wurden neu entwickelt? Nach Kriegsende nutzten zunächst die Alliierten das Atelier. Anschließend hatten weder die Staatlichen Museen noch die Hochschule der Künste dafür Verwendung, also bezog Bernhard Heiliger 1949 den Ostflügel des Hauses und arbeitete dort bis zu seinem Tod 1995. Die Heiliger-Stiftung hat auch jetzt noch ihren Sitz dort. Den Mitteltrakt nutzte 1961 der Italiener Emilio Vedova als Gast des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Später zog man Zwischendecken ein, um weitere Ateliers für DAAD- und Senatsstipendiaten zu schaffen: Dorothy Iannone, Ayse Erkmen oder Jimmie Durham arbeiteten hier. Im Westflügel werkelte ab 1981 der Fluxus-Veteran Wolf Vostell.
Im Jahr 2011 stellte Wowereit als Mitglied des Stiftungsrates der Heiliger-Stiftung die Frage, was mit dem renovierungsbedürftigen Gebäude passieren solle. Marc Wellmann, heute Vorstand der Heiliger-Stiftung und als Ziehsohn von Heiliger quasi auf dem Gelände aufgewachsen, entwickelte ein Konzept, das in etwa der heutigen Nutzung entspricht und auch die Aufarbeitung des Heiliger-Nachlasses einschließt. Eine Gemengelage, die man problematisch finden kann. 2013 findet Wellmanns Idee im Abgeordnetenhaus Wohlgefallen. Der Senat fördert das von einer Tochtergesellschaft der Stiftung betriebene Kunsthaus Dahlem mit rund 230 000 Euro pro Jahr.
Im Spannungsfeld zwischen Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
Für manche Besucher ist Brekers Atelier einfach ein irre großer Ausstellungsraum, manche überfällt das kalte Grauen in der totalitären Architektur. Für Brekers Monumentalskulpturen wurden ein Kran, eine Hebebühne und ein Lastenfahrstuhl eingebaut, die Nationalsozialisten förderten bestimmte Künstler mit einem unglaublichen finanziellen Aufwand. Die anderen wurden verfolgt, vertrieben, ihre Werke verhökert.
„Ein Ort wie dieser muss öffentlich zugänglich sein“, sagt Dorothea Schöne. Um nicht nur diejenigen anzuziehen, die sich ohnehin für Nachkriegskunst oder NS-Architektur interessieren, lud Schöne das Kuratorenkollektiv „Neue Berliner Räume“ schon vor der Eröffnung ein, sich mit dem Ort zu beschäftigen. An einem Abend erschallte Amir Fattals Soundinstallation „Limbus“ im Garten, in dem zwanzig Heiliger-Skulpturen stehen. Die Wagner-Klänge aus Fattals Installation vereinten sich mit Heiligers konstruktivistischen Gebilden und lösten gemischte Gefühle aus. Heiliger hatte sein Handwerk in Brekers Atelier an der Berliner Hochschule für bildende Künste gelernt. In der Nachkriegszeit, in der er sich als einer der wenigen deutschen Bildhauer auch international positionieren konnte, schwieg er darüber.
Die nun für zwei Jahre angelegte Eröffnungsausstellung zeigt Kunst der Vorkriegsmoderne, auf die nach 1945 zurückgegriffen wurde. Sie forscht nach amerikanischen und französischen Einflüssen und zeigt politische Verstrickungen. Kleinformatige Gemälde von Mac Zimmermann erinnern an die kurze Phase, in der sich Westberliner Künstler an Picasso orientierten. „Als Picasso 1951 seine Friedenstaube auf den Tüchern für das sozialistische Weltfestival der Jugend und Studenten in Ostberlin einsetzte, wurde er in Westberlin zur Persona non grata. Ähnlich erging es Waldemar Grzimek, der sich an einer Demonstration für Korea beteiligte“, sagt Schöne. Auch die Einflüsse von marginalisierten Künstlerinnen wie Jeanne Mammen und Louise Stomps zeigt die Ausstellung.
Kein Platz für NS-Kunst im Staatsatelier
Spannungen, die vom Breker-Atelier ausgehen, müssen aufgearbeitet werden. Ob der neutrale Name „Kunsthaus Dahlem“ dabei hilft, darüber lässt sich streiten. Über die Geschichte des Hauses informieren Wandtafeln. Brekers Werdegang wird in einer Publikationsreihe aufgearbeitet. In den ersten Ausgaben ist zu lesen, wie die Nationalsozialisten das Staatsatelier nutzten. Das Propagandaministerium brachte internationale Gäste dorthin, die Wochenschau filmte den Starbildhauer. Doch Breker nutzte das Haus nur ein knappes Jahr. 1943 wurde es durch Luftangriffe beschädigt. Der Bildhauer zog weiter ins brandenburgische Schloss Jäckelsbruch, ein Rittergut, das ihm Hitler 1940 geschenkt hatte.
Einige von Brekers Skulpturen sind kürzlich wieder aufgetaucht, zusammen mit zwei Pferden von Josef Thorak, die einst vor Hitlers Reichskanzlei standen. Kunst fürs Kunsthaus Dahlem? „Es gibt ein Steinrelief von Breker, das im Dahlemer Atelier entstanden ist. Das könnte temporär hier Platz finden“, sagt Schöne. Der Rest nicht. NS-Kunst im ehemaligen Staatsatelier – das wäre die ganz falsche Richtung.
Kunsthaus Dahlem, Eröffnung am Freitag, 12. Juni. Mi–Mo 11–17 Uhr.
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