Nazi-Kunst aus der Reichskanzlei: Hitlers Bronzepferde sollen ins Museum
Was geschieht mit den riesigen Skulpturen und Reliefs aus dem spektakulären Nazi-Kunst-Fund? Kulturstaatsministerin Grütters votiert für eine Ausstellung in einem "öffentlichen Museum". Im Gespräch sind zwei Standorte in Berlin.
Wohin mit Hitlers Bronze-Pferden? Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, würde sie nehmen, aber nur für einen Sommer. Die Ausstellung zur Machtzentrale Wilhelmstraße, die im Depot der Topographie lagert, ließe sich, mit den Kunstwerken aus Hitlers Reichskanzlei angereichert, erneut auf der Freifläche des weitläufigen Geländes präsentieren. Immerhin sind die Werke der NS-Staatsbildhauer Arno Breker und Josef Thorak die einzigen authentischen Relikte aus der Neuen Reichskanzlei an der Voßstraße/Ecke Wilhelmstraße, die nach dem Krieg gesprengt und abgeräumt wurde.
Die monumentale NS-Kunst, die in einer Lagerhalle in Bad Dürkheim am Mittwoch von der Polizei sichergestellt wurde, bewegt die Museumswelt. Insgesamt neun Skulpturen und Reliefs im Gesamtgewicht von knapp 100 Tonnen wurden gefunden, neben den Pferden von Thorak zwei riesige Frauen-Skulpturen von Fritz Klimsch („Galatea“ und „Olympia“), von Breker stammen zwei Skulpturen aus Bronze („Künder“ und „Berufung“) und drei Monumental-Reliefs aus Stein („Kameraden“, „Wächter“ und „Rächer“). Die Thorak-Pferde wurden auf dem Schwarzmarkt für mehrere Millionen Euro angeboten. Eigentümer ist höchstwahrscheinlich der Bund.
Grütters: NS-Kunst muss im richtigen Kontext gezeigt werden
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) votiert für eine Ausstellung der Funde in einem Museum. „Der Umgang mit NS-Kunst gehört in den Gesamtkontext unserer Aufarbeitung der NS-Diktatur“, sagte sie dem Tagesspiegel. Als „bedeutender Teil der Propaganda“ müsse die damalige Staatskunst kritisch reflektiert und in den richtigen Kontext gestellt werden. Der Kunstexperte Peter Raue hatte vorgeschlagen, die Kunstwerke dem Deutschen Historischen Museum (DHM) zu überlassen. Das findet auch in der Berliner CDU positive Resonanz. Der Direktor des DHM war am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Nach dem Fall Gurlitt, bei dem es um von den Nazis verfemte, „entartete“ Kunst ging, die als verschollen galt, steht diesmal der Kunstgeschmack der Täter im Mittelpunkt. Ihre Ästhetik ist in Berlin keine Unbekannte. Von NS-Größenwahn inspirierte Kunst findet sich als Teil denkmalgeschützter Anlagen: am Olympiastadion, an der für die Hitler-Leibstandarte gebaute Schwimmhalle Finckensteinallee oder am Flughafen Tempelhof.
Kunsthaus Dahlem nutzt das ehemalige Atelier Brekers
Die Reichskanzlei ist verschwunden, an ihrer Stelle stehen heute Wohnhäuser, die Adresse Voßstraße 1 hat das China-Restaurant „Peking-Ente“ übernommen. Am historischen Ort ist ein dauerhaftes Refugium für die teilweise beschädigten Kunstwerke kaum denkbar. CDU-Kulturpolitiker Stefan Schlede würde eines der Thorak-Pferde oder andere Werke aus dem Fund gerne dem Kunsthaus Dahlem gehen, das am 10. Juni seinen Ausstellungsbetrieb aufnimmt. Das Kunsthaus, getragen von der Bernhard-Heiliger-Stiftung und gefördert vom Land, nutzt das ehemalige Atelier Brekers, das dem Bildhauer „auf Wunsch des Führers“ ab 1939 errichtet wurde. Auch für den Zehlendorfer CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns ist das Kunsthaus Dahlem der richtige Ort.
Leiterin Dorothea Schöne hält das für grundsätzlich denkbar. „Teile des Fundes wurden hier im Atelier finalisiert und ausgestellt.“ Darauf könnte Bezug genommen werden, wenn auch nicht ohne Risiko: „Breker auszustellen, ist in der Vergangenheit auf reichlich Protest gestoßen“.
Die Linksfraktion sagt: Ab in die Zitadelle Spandau
Wolfgang Brauer, Kultursprecher der Linksfraktion, denkt bei Hitlers Lieblingskunst eher an die Zitadelle Spandau und das dortige Kabinett „politisch-ästhetischer Scheußlichkeiten“. Der steinerne Schwertkämpfer würde dann neben dem Lenin-Kopf vom Platz der Vereinten Nationen und Stelen mit Inschriften von Ernst Thälmann und Erich Honecker, die einmal das Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg flankierten, Platz finden. In der Zitadelle sollen auch Skulpturen aus der einstigen Siegesallee im Großen Tiergarten eine Heimat finden. Sie stammen aus der Zeit, als sich das deutsche Kaiserreich lautstark Hoffnungen machte, zur imperialen Macht aufzusteigen.
Die Ausstellung soll im Herbst eröffnen, das würde zeitlich noch passen. 150 ausrangierte Denkmäler aus dem Stadtgebiet sollen gezeigt werden. Weil die meisten tonnenschwer sind, wurde dafür das Fundament des ehemaligen Proviantmagazins bereits ertüchtigt.
Die Granitreliefs sind 40 Tonnen schwer
Museumsleiterin Andrea Theissen hat die Idee mit ihren Mitarbeitern schon mal spontan erörtert. „Das würde thematisch zu uns passen“, auch wenn es bereits eine Breker-Statue gibt, die ausgestellt werden soll, einen vergleichsweise kleinen Zehnkämpfer, den die Briten lange Zeit völlig arglos als Schmuck vor ihre Spandauer Kaserne gestellt hatten. Wegen der Größe der Reichskanzlei-Skulpturen – die Granitreliefs sind fünf mal zehn Meter groß und wiegen 40 Tonnen – könnte es allerdings Probleme geben. Die Pferde könnten eher passen, sie sind dreieinhalb Meter hoch.
Die Reichskanzlei wurde in den letzten Kriegstagen geplündert und verwüstet. Denkbar ist, dass in Russland oder anderswo noch Trophäen auf privaten Dachböden lagern, die irgendwann an die Öffentlichkeit gelangen. Die DDR hatte an solchen Dingen kein Interesse.
Nach der Wende kam eine lebhafte Kontroverse auf, ob die noch vorhanden Bunker der Kanzlei unter Denkmalschutz gestellt werden sollen. Besonders der sogenannte Fahrerbunker mit kruden Wandmalereien bot sich dafür an, doch der Senat konnte sich nur zu einer archäologischen Dokumentation durchringen. Die Fundstücke und Fotos wurden vor zehn Jahren in einer Ausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte gezeigt.
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