Bernard Haitink mit den Philharmonikern: Musikalischer Triumph
Eigentlich hätte Lorin Maazel diesen Abend dirigieren sollen. 2014 starb er. Die Berliner Philharmoniker widmeten das Konzert nun seinem Gedenken - mit Bernard Haitink am Pult.
Eigentlich sollte Lorin Maazel diesen Abend der Berliner Philharmoniker dirigieren. Nun, da er 2014 gestorben ist, der amerikanische Pultstar, der ihnen Glanz und Sorgen beschert hat, widmen sie das Konzert seinem Gedenken.
In Bernard Haitink tritt der Gegentyp zu dem explosiven Musiker an dessen Stelle, nämlich der unprätentiöse Meister aus Amsterdam, dem jede Prahlerei am Pult fremd ist. Haitink versteht sich darauf, mit Musik von Mahler oder Bruckner die Herzen zu öffnen. Künstlerische Vertrautheit mit den Philharmonikern ist gemeinsames Gut, das sich über ein halbes Jahrhundert aufgebaut hat. Neben seiner internationalen Karriere hat Haitink, der kein unglücklicher „Kronprinz“ der Karajan-Nachfolge war wie Maazel, als verehrter und beliebter Gastdirigent die Zusammenarbeit mit den Berlinern regelmäßig gepflegt.
Jetzt kommt er mit einem aparten Programm, das er noch nie in Berlin dirigiert hat: Der Fünften von Schubert folgt die Fünfzehnte von Schostakowitsch, dem Frühwerk das Spätwerk. Es fällt auf, dass der Dirigent sich mehr denn je auf das ihm ergebene Orchester verlässt. Und sie spielen ihm zu in Schuberts mozartischem Lied ohne Worte. Für ihn bleibt, die Klänge der kleinen Besetzung abzutönen. Trotzdem: Ein bisschen mehr Impetus hätte den harmonischen Eintrübungen im Andante und dem Kontrapunkt Würze geben können. Hier sieht sich Haitink heute vor allem als Diener am lieblichen Werk, der sich auch nicht besonders feiern lassen will.
Die Philharmoniker applaudieren Haitink
Die Philharmoniker applaudieren ihm dennoch nach der heiteren und sehr ernsten Symphonie Schostakowitschs. Deren erster Satz beharrt auf einem Rossini-Zitat, der letzte auf der Todverkündung aus Wagners „Walküre“. Tanz und Trauermarsch sind seltsam verknüpft. Orchester mit viel Schlagwerk von Glöckchen bis zu Klappholzeffekten und intimen Soli (leuchtende Flöte: Andreas Blau, Violine weich: Noah Bendix-Balgley) reflektiert die gelebte volle Zeit des Komponisten. So überwacht der 86-jährige Haitink die Interpretation liebevoll, ohne selbst besondere Originalität anzusteuern. Das Cellosolo Ludwig Quandts aber hebt sich heraus, weil es mit persönlichem Ausdruck Klage ist und zugleich musikalischer Triumph.