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Der Geiger Renaud Capuçon
© François Darmigny

Matthias Pintscher dirigiert die Berliner Philharmoniker: Musikalische Seitenpfade

Die Berliner Philharmoniker spielen unter der Leitung des Dirigenten und Komponisten Matthias Pintscher. Der Geiger Renaud Capuçon brilliert als Solist in Pintschers eigener Komposition.

Die Zeitenwende zum 20. Jahrhundert, die das Musikfest thematisch umfasst, kennt eine Fülle von Nebenstraßen. Sinnvoll lenkt ein Konzert der Berliner Philharmoniker unter Matthias Pintscher die Gedanken auf das Umfeld der kompositorischen Aufschwünge, bis es mit den Symphonischen Skizzen „La Mer“ zu dem Meisterwerk kommt, in dem der Klangsinn Debussys seinen ganzen Zauber entfaltet. Sonnenaufgang, Licht, Wellen: Der Ozean funkelt in der Interpretation der Philharmoniker, und der Komponist/Dirigent Pintscher weiß animierend zuzuhören. Dazu passt, dass er die wunderbaren Bläsersolisten erst einzeln dankbar feiern lässt und dann das ganze Orchester.

Was Maeterlincks Schauspiel „Pelléas et Mélisande“ an schicksalhafter Wirkung auf die Musik angestoßen hat, ist in diesen Tagen durch die Orchester des SWR und der Deutschen Oper mit den Werken von Schönberg und Debussy präsent. Hier bei den Philharmonikern tritt nun ein „Pelléas“-Komponist dazu, der unverblümt in klassischer französischer Tradition bleibt. Gabriel Fauré hat eine Bühnenmusik zu dem Stück verfasst, die feine Suite will vom Impressionismus nichts wissen und singt ihr Lied, als habe es den „Tristan“ nie gegeben. Der Beitrag ist in seinem Rahmen nicht unwichtig.

„On revient toujours"

Zwischendurch macht der Komponist Pintscher auf sich selbst aufmerksam, wie er mit der längst emanzipierten Dissonanz sein zweites Violinkonzert schmückt. Der virtuose Geiger Renaud Capuçon kadenziert sich in höchste filigrane Flageolett-Höhen, leicht, transparent, zart und gefällig klingt die Musik. Bemerkenswert ist, dass Pintscher mit dem Stilelement der Stille, anders als Mahlers „ersterbend“ endende Neunte, eher raffiniert umgeht.

Weit seltener als die erste Kammersymphonie Schönbergs mit ihrem Elan und ihren Farben wird die zweite aufgeführt. Das hat Gründe. Begonnen 1906, vollendet 1939, steht das Stück im Zwielicht: Der Komponist kehrt zurück zur Tonalität, die in der Zeit des Konzepts gerade verlassen werden wollte. „Ich war in der Brahmsischen Kultur großgeworden“, schreibt Schönberg dazu und „On revient toujours“. In Amerika wächst seine Sehnsucht nach dem älteren Stil, und harmlos freundlich überrascht der zweite Satz. Das Musikfest huldigt hiermit einem „Zerstörer“, der später gesagt hat, dass für ihn „stilistische Unterschiede keine besondere Bedeutung“ hätten.

Sybill Mahlke

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