Echo für Frei.Wild: Murks mit Ansage
Wer viele Alben verkauft, gewinnt einen Echo: Diese Logik bescherte nicht nur Helene Fischer einen erneuten Preisregen, sondern auch der rechtsgerichteten Deutschrock-Band Frei.Wild. Warum der Echo eine Reform braucht.
Ein bisschen Aufregung tut jeder Gala gut. Da haben die Leute was zu reden, twittern, wettern. Spektakuläre Kostüme, tränenreiche Dankesreden, komisch Auftritte – sowas belebt. In Erinnerung bleibt das Ereignis dann als „das Jahr, in dem Lady Gaga im Fleischkleid kam“ oder „das Jahr, in dem Miley Cyrus twerkte“.
Dem deutschen Musikpreis Echo täten Überraschungen besonders gut, steht hier doch im Wesentlichen schon vorher fest, welche Bands, Sängerinnen und Sänger ausgezeichnet werden. Zuletzt hat es nur mal halt mit einem Aufreger geklappt: 2013 ging als das Jahr in die Echo-Chronik ein, in dem die rechtsgerichtete Deutschrock-Band Frei.Wild von der Nominiertenliste gestrichen wurde, weil andere Nominierte mit Boykott gedroht hatten. Da die Echo-Ausrichter nichts aus dieser Episode gelernt haben, folgte am Donnerstagabend in Berlin das zweite Halbskandälchen, wieder mit Frei.Wild in der Hauptrolle: Das Quartett aus Südtirol, dem auch Musiker mit deutschem Pass angehören, erhielt den Preis in der Kategorie „Rock/Alternative national“. Protest gegen die Nominierung hatte es diesmal nicht gegeben, dafür waren nach der Bekanntgabe der Entscheidung vereinzelt Buh-Rufe zu hören. Sänger Philipp Burger streckte auf dem Weg zur Bühne kurz den Mittelfinger in die Richtung der murrenden Zuschauer, um dann triumphierend seine Dankesrede abzulesen. Turbulenter könne ein Echo nicht beben, sagte er. „Heute zeigt sich, dass Ehrlichkeit am längsten währt, dass Fehlentscheidungen richtiggestellt werden können“, fuhr er fort.
Tim Renner findet, es sei wie mit der AfD zu koalieren
Etwas mehr Unmut regte sich im Anschluss an die Frei.Wild-Ehrung, als der Sänger Bosse nach seinem Auftritt beide Mittelfinger ausstreckte und rief: „Und die hier gehen raus an alle Nazischweine.“ Berlins Kulturstaatsekretär Tim Renner schrieb auf Facebook „Puh, Freiwild einen Echo zu geben ist wie mit der AfD koalieren“, die Berliner Piratenpartei kritisierte die Vergabe als unsensibel und verantwortungslos.
So verständlich die Ablehnung einer Band ist, die immer wieder völkische und nationalistische Texte gesungen hat und aus dem Rechtsrock-Umfeld stammt – der Echo ist die falsche Plattform dafür. Schließlich handelt sich um einen Preis, der vom Bundesverband Musikindustrie vergeben wird und sich in erster Linie an Verkaufszahlen orientiert. Wer vorab einen Blick auf die Jahrescharts geworfen hatte, konnte die Echos für die Dauer-Abräumerin Helene Fischer ebenso voraussagen wie die Preise für Sarah Connor, Kollegah oder eben Frei.Wild. Deren im April 2015 veröffentlichtes Album „Opposition“ hatte zwei Wochen lang die deutschen Charts angeführt und war in den Jahrescharts auf den siebten Platz gekommen. Frei.Wilds Mitnominierte Avantasia, Lindemann, Saltatio Mortis und Wirtz konnten da einfach nicht mithalten. So landete etwa Rammstein-Sänger Lindemann mit seinem „Skills In Pills“-Album auf der Jahresbestenliste lediglich auf Platz 47, Saltatio Mortis’ „Zirkus Zeitgeist“ auf Platz 63.
Neue Vergabekriterien täten dem Echo gut
Wenn man nicht will, dass immer wieder dieselben Künstlerinnen oder Bands wie Frei.Wild den Echo gewinnen, muss man die Vergabekriterien ändern. Neben den Verkaufscharts könnte beispielsweise das Votum einer unabhängigen Jury gleichberechtigt in das Ergebnis einfließen. Beim deutlich renommierteren britische Mercury Prize entscheidet allein die Jury. Weniger chartsfixierte Kriterien würden die Relevanz des Echos steigern und bei der Gala käme auch mal echte Spannung auf. Es wäre dem Bundesverband Musikindustrie zu wünschen, dass er den vermurksten 25. Echo-Geburtstag zum Anlass einer Reform des Preises nimmt. Raus aus der Wiederholungsschleife – das wäre mal ein echter Grund zum Feiern für die Branche.
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