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Nikolai Lugansky spielte auch schon beim Tschaikowsky-Wettbewerb im Moskauer Konservatorium.
© dpa

Klavierfestival: Mit offenen Augen genießen

Warm, gelassen und von feiner Süße: Das Klavierfestival im Kammermusiksaal startet mit Nikolai Lugansky.

Hatte Franz Schubert Humor? Wenn man ihn mit Nikolai Lugansky hört, dann möchte man das bejahen: Mit trockenem Witz und fast ein wenig marionettenhaft lässt er das Thema des selten gespielten Scherzo B-Dur wiederkehren, sodass man sich bei seinem Auftauchen eines Lächelns nicht erwehren kann. Es ist ein feiner Auftakt für das von Barnaby Weiler ins Leben gerufene, noch bis zum 2. Juni andauernde Berliner Klavierfestival im Kammermusiksaal des Konzerthauses. Der gute Eindruck setzt sich bei den gewichtigeren Schubert’schen Impromptus D 935 fort. Es ist ein Schubert, den man gleichsam mit offenen Augen genießt: Lugansky spielt die Stücke mit einem stets wachen Sinn für Architektur, so als hätte er noch ein wenig Haydn im Hinterkopf: Sequenzen, Wiederholungen und regelmäßige Phrasenanordnungen wie im Hauptthema des Impromptus As-Dur werden nicht romantisierend verschleiert, sondern dürfen durchaus klar in ihrer schönen Ordnung zutage treten.

Luganskys Anschlag ist nicht analytisch kalt, sondern von warmer, eher gelassener Emotion belebt und in der Höhe oft von einer feinen Süße. In spannender Schwebe hält der Pianist auch das Hauptwerk des Abends: die „Vergessenen Weisen“ von Nikolai Medtner. Der zu Unrecht vernachlässigte Komponist stellt gewissermaßen das Missing Link zwischen Rachmaninow (der ihn außerordentlich schätzte) und den französischen Impressionisten dar. Unter Luganskys Händen funkeln die charakterisierten Tänze und Canzonen der „Vergessenen Weisen“ in orchestralen Farben und schildern unter einem leichten Schleier der Nostalgie Szenen, die von einer rauschenden Ballnacht bis hin zu einem bukolischen Ständchen reichen.

Packend gelingen Lugansky zuletzt auch Rachmaninows Moments musicaux, in denen er neben rauschhafter Virtuosität einmal mehr seine Fähigkeit zu stufenlosen, genau disponierten Übergängen ausspielt. Vielseitigkeit zwischen Tschaikowskys Wiegenlied bis hin zu Nikolai Kapustins jazziger Etude Op. 40 Nr. 6 beweist Lugansky im ausgedehnten Zugabenteil, den sich das Publikum erklatscht.

Carsten Niemann

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