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Der amerikanische Geiger Chad Hoopes.
© Marco Borggreve

Saisonausklang im Konzerthaus: Minimal, maximal, suboptimal

Letztes Saisonkonzert im Saal: das Konzerthausorchester spielt Philip Glass, John Adams und Anton Bruckner

Das prägende Element der Minimal Music ist der Rhythmus: Über ihn definiert sich der Puls, die Anlage, die Energie eines Stückes. Denn darüber hinaus passiert nicht viel, es sind eben minimale Änderungen, die etwa dem Violinkonzert von Philip Glass nur wenig Abwechslung verschaffen, dafür aber – im besten Fall – eine große innere Logik und Ruhe aufbauen. Bei solchen Reißbrettkompositionen müssen sich Dirigent wie Orchestermusiker extrem konzentrieren, damit sie nicht bei all der Kontemplation in ihren Notenzeilen verrutschen, denn die sehen sich über lange Abschnitte sehr ähnlich. Vor allem aber müssen sie das haben, was man für keine andere Musik als diese so dringend braucht: Timing.

Im Finale der Saison, so muss man das sagen, scheitert das Konzerthausorchester an dieser Aufgabe. Denn auch wenn Minimal-Music-Vorkämpfer Dennis Russell Davies am Pult alles tut, das Ganze zusammen zu halten – schon bei John Adams’ Foxtrott „Der Vorsitzende tanzt“ fällt das Orchester regelmäßig auseinander. Damit wird diese äußerst witzige Parodie auf Nixons Staatsbesuch in China 1972 nachgerade unkenntlich. Was sehr schade ist, denn man hört diese Musik viel zu selten im Konzertsaal, und beispielgebend ist die Aufführung nicht gerade. Doppelt schade, dass dafür vor allem das geradezu autistisch wirkende Schlagwerk verantwortlich ist. Was da rhythmisch geschlampt wird, hat mit der Idee der Musik und leider auch mit dem vorauszusetzenden Selbstverständnis wenig zu tun. Sicher, die Partien sind verflixt schwer, vor allem aber betritt damit ein Orchester, das zählt statt zu grooven, offenbar komplett Neuland. Vor diesem Hintergrund kann der 21-jährige Amerikaner Chad Hoopes mit seinem Solopart im Violinkonzert von Glass keinen großen Blumentopf gewinnen, wenn man ständig befürchten muss, dass sich irgendwer verirrt. Seine Akkordkaskaden und atemberaubenden Girlanden quer durch die Geigenamplitude verglühen schnell im Vergessen.

Nach der Pause reißt sich das Orchester für den Gegenpart einer maximalen Musik dann extrem zusammen – Anton Bruckners erste Sinfonie wirkt dennoch zerfahren, technisch, kalt. Davies macht aus diesem Lehrstück aus dem Kontrapunktseminar nur selten Musik. Wo die Präzision nun endlich stimmt, fehlt die Inspiration. Davies gelingt es nicht, gestalterisch einen roten Faden zu spannen zwischen den monumentalen Ecksätzen, in denen Bruckner seine interessanten musikalischen Gedanken mit athletischen Balanceübungen in der Instrumentierung vernebelte. Schade, wenn man im Wesentlichen letztere hört. Doch es gibt noch eine Chance für einen beglückenden Saisonausklang: am 24.7. auf dem Gendarmenmarkt.

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