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Die Regisseurin Elfi Mikesch: kleine, große Subversive des deutschen Autorenfilms
© Thilo Rückeis

Festival-Stammgast Elfi Mikesch: Mein Vater, der Legionär

Diese zauberhafte, zähe Regisseurin Elfi Mikesch ist nun schon seit 1978 Berlinale-Teilnehmerin. In diesem Jahr stellt sie ihr Drama „Fieber“ vor - und die 73-Jährige ist immer noch so aufgeregt wie beim ersten Mal. Kein Wunder: Der Film behandelt auch die Kriegsschuld ihres Vaters.

Auszurechnen, ihre wievielte Berlinale das jetzt ist, das ist nicht so ihr’s. Elfi Mikesch grübelt kurz, gibt auf, was angesichts ihrer üppigen Filmografie nicht weiter verwunderlich ist, und spricht den gelassenen Satz: Eigentlich sei sie so ziemlich mit jedem ihrer Filme dabei – seit „Ich denke oft an Hawaii“, der 1978 im Forum lief. Zuletzt hat sie „Mondo Lux“, die Hommage an ihren Lebensfreund Werner Schroeter 2011 im Panorama gezeigt.

An der Aufregung ihren Spielfilm „Fieber“ betreffend, der im Panorama Premiere feiert, ändern jahrzehntelange Festivalroutine als auch zahlreiche Auszeichnungen für die Regisseurin, Kamerafrau und Fotografin nichts. „Es ist jedes Mal eine Feuerprobe für mich, wenn der Film zum ersten Mal auf das Publikum trifft.“ Wenn sich zeigt, was die Bilder taugen, ob die Gesichtslandschaften tragen, ob die Visualisierung der Innenwelt funktioniert, die Elfi Mikesch auch in „Fieber“ wieder mehr als die der Außenwelt am Herzen liegt.

Wie kann das eigentlich sein, dass diese zauberhafte, zierliche, zähe, kleine, große Subversive des deutschen Autorenfilms schon 73 Jahre alt ist? Sind die schrillen Rosa-von-Praunheim-Filme „Horror Vacui“ oder „Anita – Tänze des Lasters“ schon fast 30 Jahre alt, ist der Werner-Schroeter-Film „Malina“ wirklich vor mehr als 20 Jahren herausgekommen? Die Erinnerung ist noch so plastisch, die Bilder, die sie geschaffen hat, sind noch im Kopf. Und auch ihre Schwarz-Weiß-Fotos aus den Sechzigern stehen – weil sie auf einer Ausstellung waren – gerade wie frisch verpackt in ihrem Atelier am Lützowplatz, das sie mit ihrer Freundin Lilly Grote teilt, einer ebenso interdisziplinären Bilderbauerin wie sie.

Elfi Mikesch wird den Spezialpreis Teddy erhalten

Elfi Mikesch, die dieses Jahr mit Rosa von Praunheim den Spezialpreis des schwul-lesbischen Filmpreises Teddy bekommt, lebt seit 1964 in Berlin. „Die Stadt ist mein Hafen“, sagt sie. Zuerst hat sie sie nur nächtlich erlebt. Nachts fotografiert, nachts gefeiert, nachts in einem experimentellen Buchverlag am Heinrichplatz gedruckt. „Mit der Hand“, sagt sie und holt mit dem Arm aus, als stünde sie an einer Druckerpresse. Der Sprung aus der analogen in die digitale Bilderwelt ist ihr gelungen. Sie liebt es, beim Zugfahren das iPad ans Fenster zu halten und ein Foto nach dem anderen zu machen: „Die Maschine fertigt mir einen Automatismus und trotzdem entsteht ein Bild, dessen Effekt beim Anschauen japanischen Rollbildern ähnelt.“

Ihren Lebensfreund von Praunheim hatte sie bereits in Frankfurt am Main kennengelernt, wo die österreichische Fotografin mit ihrem damaligen Ehemann, dem Maler Fritz Mikesch wohnte. Gemeinsam mit Rosa veröffentlicht sie 1969 den Fotoroman „Oh Muvie“. Seitdem gilt die spätere Weggefährtin der queeren, feministischen Regisseurin Monika Treut als Vorreiterin eines androgynen Blicks. Trotz ihrer politischen Denke ist Elfi Mikesch jede ausgestellte Programmatik fremd. Zu ihrer einnehmenden österreichischen Verbindlichkeit und souveränen Klugheit passt das Fragen auch viel besser als das Behaupten.

Auch in „Fieber“, einer handlungsarmen, suggestiven Bilderreise zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem, zwischen Ausgedachtem und Wirklichem, die Motive aus Mikeschs Biografie mit ihren Ausdrucksmitteln Film und Fotografie verquickt. Ins Bild gesetzt hat sie übrigens Kameramann Jerzy Palacz, Elfi Mikesch schwenkt nicht mehr selbst.

Eva Mattes spielt die Fotografin Franziska, die auf einer Reise nach Novi Sad in einer parallel montierten Rückblende ihrer Kindheit 1952 in Judenburg nachspürt. Die ist geprägt von der exotischen und aggressiven Aura des Vaters (Martin Wuttke), eines ehemaligen Fremdenlegionärs, der Kriegsdeformation und Malariaschübe wie ein Fieber in die Familie trägt. Für die zwölfjährige Franzi (Carolina Luzia Cardoso) sind Vaters Afrika-Fotos ein faszinierendes, von Rätseln und Schrecken erfülltes Bilderbuch. Und genau das waren sie für Elfi Mikesch, deren Kindheit und deren ererbte Fotos reale Grundlage der fiktiven Erzählung sind.

Im Film "Fieber" wird die Erzählung aus Elfi Mikeschs Leben weitergesponnen

Was bedeuten die Bilder, was liegt dahinter? Das fragt sich das Mädchen im Film, das Elfi Mikesch keinesfalls als eigenes kindliches Ego, sondern als Filmfigur verstanden wissen will. Doch das hat sie sich auch selber damals daheim in Judenburg beim versunkenen Betrachten gefragt: von Wüstenoasen, malerisch gekleideten Orientalen, Geschichtenerzählern auf dem Markplatz von Marrakesch und mit Kalk überschütteten Leichen oder abgeschlagenen Köpfen der Opfer von Kolonialkonflikten. Die Schrecken des Krieges, die Schuld des Vaters als in der Kinderseele, den Generationen weiterwirkendes Gift. Ob sie den Vater im Nachhinein verachtet, wie die erwachsene Franziska am Ende des Films? Nein, sagt Elfi Mikesch, sie verachte die Unfähigkeit der Menschen, in Frieden zu leben. „Und das Kriegshandwerk, vor allem die Produktion, die daran verdient.“ Deren Profiteure saßen auch in den Zwanzigern häufig in Deutschland, wie die Filmemacherin als eine Art, den Raum hinter den Bildern auszuloten, recherchiert hat.

Ein weiterer Zwischenraum, der sie fasziniert, ist der zwischen Film und Fotografie. Oder wie sie es nennt: „das Vielleicht zwischen Null und Eins“. Null und Eins? „Ja, dem binären Code“, sagt Mikesch, die die Frage nach dem Fortbestehen der eigenen Existenz, nach Kontakt und Kommunikation in der entfesselten digitalen Bilderwelt zur Musik von John Cage geführt hat. Der arbeite ebenfalls viel mit Zwischenräumen, mit Pausen, sagt sie und zitiert ihn mit dem Satz: „Wir können nicht alles berechnen und das ist unsere Chance“. Nicht alles ausrechnen, nicht alles zeigen, aber manches sehen.

12.2., 17.45 Uhr (Cinestar 3), 13.2., 14 Uhr (International)

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