Netflix-Film "Bright" mit Will Smith: Mein Partner, der Ork
Angriff auf Hollywood: Netflix bringt seinen ersten Blockbuster heraus. In „Bright“ kämpft Will Smith mit und gegen Fabelwesen.
Eine Kamerafahrt durch heruntergekommene Straßenzüge. Die Häuserfassaden sind beschmiert mit Graffiti, Blaulicht illuminiert die Nacht, dazu wummert ein Hip-Hop-Beat. „So cold, I am bleeding out now / We are broken people now / But won’t ever let you down / I am fighting so we be equal / For my son and my sequel.“ Wir lassen uns nicht unterkriegen, wir werden für unser Recht kämpfen. Ghetto-Realität made in Hollywood, man kennt die Bilder zur Genüge. Aber etwas irritiert an der Eröffnungssequenz des Actionfilms „Bright“ – und das liegt nicht am Netflix-Logo zu Beginn der Credits. Die Graffiti, urbane Höhlenmalereien gegen Rassismus und Polizeigewalt, zeigen keine schwarzen Amerikaner, sondern fangzahnbewehrte Kobolde, von Dächern geworfen, von Cops verprügelt. Grüne Fäuste erhoben zum Black-Panther-Gruß. Ein Schriftzug kündigt die Rückkehr eines „Darklord“ an. An der nächsten Abfahrt führt der Freeway von Los Angeles direkt in den „Elfen-Bezirk“.
High Concept nennen Hollywood-Produzenten Blockbuster, die auf einer letztlich an den Haaren herbeigezogenen Prämisse basieren. Solche Ideen haben den Vorteil, dass sie sich in Meetings – oder im Fahrstuhl – mit einem knackigen Satz zusammenfassen lassen, etwa: Ein Weltraummärchen um eine Gruppe buddhistischer Ritter mit Zauberkräften, die gegen ein totalitäres Regime im All rebellieren. Liest sich auf dem Papier total hirnrissig. Wer soll so einen Quatsch bitte gucken? Man kann sich regelrecht vorstellen, wie Regisseur David Ayer und Drehbuchautor Max Landis dem Netflix-Chef Reed Hastings ihre Idee gepitcht haben. Wie wäre es mit einer Mischung aus „Training Day“ und „Herr der Ringe“? Ein Cop-Buddy-Movie, in der (Achtung, Pointe!) der schwarze Polizist die rassistischen Sprüche vom Stapel lässt. Weil, sein Partner ist nämlich ein Ork.
Hollywood kann sich warm anziehen
Kein Witz, der Film hat tatsächlich grünes Licht bekommen. „Bright“ wird als teuerste Netflix-Produktion angekündigt, 90 Millionen Dollar hat der Film angeblich gekostet. Der Name Will Smith soll gewährleisten, dass die nächste Stufe von Netflix’ Welteroberungskampagne zündet. Zwar sind 100 Millionen Dollar für den neuen Scorsese vorgesehen, ein Liebhaberprojekt, gut fürs Prestige. Aber mit „Bright“ stößt der Streaminganbieter in neue Dimensionen vor. Es ist als Signal an Hollywood zu verstehen: Blockbuster können wir auch – mit allen schmerzhaften Nebenwirkungen, die die jüngste Flut an Superheldenfilmen und Franchises begleiteten.
Das Drehbuch von „Bright“ liest sich, als hätten bei Netflix die Algorithmen die kreative Kontrolle übernommen. Die Rechnung geht etwa folgendermaßen: Netflix-Kunden mögen Actionfilme und „Herr der Ringe“ – und Will Smith ist immer noch einer der zugkräftigsten Stars in Hollywood. Daraus lässt sich schon irgendeine Geschichte spinnen.
Man kann sich kaum noch daran erinnern, aber David Ayer galt tatsächlich mal als talentierter Actionregisseur. Sein schwer unterschätzter Film „Harsh Times“, „End of Watch“ und „Street Kings“ gehören zu den besseren Polizeifilmen der letzten Zeit. Zuletzt scheint ihn das Glück verlassen zu haben. Der Panzer-Kriegsfilm mit dem hübschen (deutschen) Ernst-Jünger-Titel „Herz aus Stahl“ beschädigte Brad Pitts ohnehin angeschlagene Karriere, und das Superheldenspektakel „Suicide Squad“ warf die Bemühungen des Comiclabels DC, mit Konkurrent Marvel gleichzuziehen, um Jahre zurück.
Auch Orks sind nur Menschen
Nun also ein Fantasy-Polizeifilm mit Will Smith und dem immer wieder gern gesehenen Joel Edgerton als ungleiches Cop-Duo in einer alternativen Realität, in der Menschen, Elfen und Orks miteinander leben. Besser gesagt: nebeneinander. Die Elfen sind voll in die Gesellschaft integriert, 2000 Jahre zuvor haben sie in einer epischen Schlacht an der Seite der Menschen gegen das Volk der Orks gekämpft. Die aber sind seit dem Krieg gesellschaftlich marginalisiert, sie leben in „Projects“. Ihr Territorium teilen sich die Ork-Clans mit hispanischen Gangs.
Dem undisziplinierten Streifenpolizisten Ward, gespielt von Smith, wird ein neuer Partner, der Ork Jacoby (Edgertons prägnante Gesichtszüge sind unter einer Latexmaske verborgen) an die Seite gestellt. Ein „Diversifizierungsprogramm“ (heißt tatsächlich so) der Polizei soll die Integration der Minderheit fördern. Ward ist nicht begeistert über seinen Mitfahrer, während Jacoby vor allem gegen Ressentiments zu kämpfen hat. Seine Kollegen traktieren ihn mit rassistischen Sprüchen, während seine Artgenossen ihn als „Onkel Tom“ beschimpfen. Als Zeichen seiner Loyalität hat er sich die Fangzähne runtergefeilt.
Die Prämisse klingt zumindest vielversprechend, wobei die Idee nicht ganz neu ist. Neill Blomkamp hat in „Disctrict 9“ bereits eine ähnliche Rassismus-Parabel mit Außerirdischen erzählt, welche sich im Wesentlichen auf „Alien Nation“ (1988) mit James Caan und Mandy Patinkin bezieht. Ayer bedient sich auch reichlich bei sich selbst, vor allem seinem Drehbuch zu „Training Day“ mit Denzel Washington, aus dem er eine zentrale Wendung klaut. „Bright“ ist nicht nur deshalb ein besonders gravierendes Beispiel für lazy storytelling: Der Film nimmt seine eigene Idee einfach nicht ernst.
Netflix verabschiedet sich vom Kino
„Bright“ spielt in einer einzigen Nacht, in der abtrünnige Feenwesen, die titelgebenden „Brights“, sich in den Straßen von Los Angeles um einen mächtigen Zauberstab prügeln, der die Rückkehr des „Darklord“ verhindern soll. Ward und Jacoby geraten zwischen die Schusslinien korrupter Polizisten, magischer Fabelwesen (u.a. Noomi Rapace) und Ork-Gangs. Die gesellschaftliche Komponente des Films gerät dabei zur Staffage für uninspirierte und schlampige Action mit albernen Dialogen. Netflix war vor noch nicht allzu langer Zeit als Alternative zu Hollywood angetreten. Mit „Bright“ zerschlägt sich diese Hoffnung wieder.
Das ist vor allem vor dem Hintergrund von Reed Hastings’ Ankündigung besorgniserregend, 2018 acht Milliarden Dollar für 80 Eigenproduktionen auszugeben. In Cannes hat sich Will Smith in diesem Jahr mächtig für die Netflix-Mission ins Zeug gelegt, aber der erste hausgemachte Blockbuster wirkt ernüchternd. Skandalös daran ist weniger, dass Netflix sich offensichtlich nicht mehr fürs Kino interessiert. Sondern dass man schlicht keine Interesse mehr daran zu haben scheint, weder visuell intelligent noch originell zu erzählen. Ayers selbst in technischer Hinsicht lieblose Inszenierung – von den CGI-Effekten bis zu den Actionszenen – zeigt deutlich, dass sich Netflix auch ästhetisch vom Kino verabschiedet. „Bright“ ist vielmehr der erste fürs mobile Endgerät konzipierte Blockbuster.
Ab diesem Freitag auf Netflix