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Die US-amerikanische Rapperin Cardi B, 25.
© Jora Frantzis

Das Debüt der Rapperin Cardi B: Mein Geld, mein Typ, meine Bronx

An der New Yorker Rapperin Cardi B kommt momentan niemand vorbei. Jetzt ist ihr eindrucksvolles Debütalbum „Invasion Of Privacy“ erschienen.

Auch fast 50 Jahre nach der Entstehung von Hip-Hop in der South Bronx, nach weltweiter Vermarktung und weltweiter Verwurzelung, nach Generationskämpfen und Retro-Wellen, nach der Öffnung für Stimmen weit jenseits des Macho-Hetero-Mainstreams, gibt es eine Regel: Wer die beste catchphrase hat, dem gehört die Welt. Oder besser: Der gehört die Welt. Im Moment und auf absehbare Zeit ist das die Rapperin Cardi B aus New York.

Ihr Song „Bodak Yellow“ war der größte Hit des Sommers 2017 und kam auf Platz 1 der amerikanischen Billboard-Charts – das letzte Mal, dass das einer Solo-Rapperin gelang, war 1998 mit „Doo Wop (That Thing)“ von Lauryn Hill, die immerhin eine Erstkarriere bei den Fugees im Rücken hatte. Cardi B hingegen hatte nur einen gewissen Ruf in sozialen Medien, eine Rolle in einer Realityshow und eine frühere Tätigkeit als Stripperin in New York.

Dass diese Zeiten vorbei sind, beschwört sie in der zentralen Zeile des Songs: „I don’t dance now/I make money moves“, und eigentlich hätte die gesamte Neuauflage des berühmten Merriam-Webster-Wörterbuches eingestampft werden müssen, um „money moves“ – Geld verdienen, Geld in Bewegung bringen, Geld ausgeben – noch nachträglich aufzunehmen. Ewiger Ruhm im Pantheon der Rap-Slogans irgendwo zwischen „Fight the Power“ und „It’s all good, baby baaaaby“ scheint ihr sicher.

Humor, Herz und Kampfgeist

Oder handelt es sich, um bei Slogans zu bleiben, doch eher um einen Fall von „Don’t Believe The Hype“? Das muss ihr gerade erschienenes Debütalbum „Invasion Of Privacy“ (Atlantic/Warner) beweisen, das sich schon fast wie ein Kapitelende anfühlt, so omnipräsent war Cardi B in den letzten Monaten mit zahlreichen Features und eigenen Singles. Als Eintrittskarte in den Mainstream diente schließlich ihr Auftritt bei der Grammy- Verleihung, wo sie Bruno Mars bei dessen „Finesse“-Remix begleitete.

Dabei hat Cardi B mehr star quality als Bruno Mars Vorbilder, dazu noch eine Geschichte, das Geschick, sie zu erzählen sowie Humor, Herz und Kampfgeist. Caity Weaver geht in einem langen Porträt für „GQ“ so weit, die Popkultur in Prä- und Post-Cardi einzuteilen. Wie es dazu kommen konnte, erzählt die 25-jährige Rapperin gleich zu Beginn von „Invasion Of Privacy“ noch einmal für alle zum Mitschreiben und T-Shirt-Drucken.

Wie jeder der 13 hervorragenden Songs des Albums ist der Eröffnungstrack „Get Up 10“ Partyhymne, Schlachtruf und Selbsttherapie in einem. Ihr Weg führt sie von, klar, ganz unten, nach, auch klar, ganz oben, aus dem Stripclub gegenüber ihrer Highschool an die Spitze der Charts, und als Erzählerin beherrscht sie jenen Tonfall zwischen Verbitterung und Triumph, mit dem schon andere Straßenrapper Multimillionäre geworden sind: „Ain’t telling y’all to do it, just telling my story“, beteuert sie. Die Frage, wie sich Biggie Smalls anhören würde, wenn er auf Typen stehen würde, hat in den Neunzigern Lil Kim und zehn Jahre später die frühe Nicki Minaj beantwortet. Cardi B zeigt jetzt, wie ein weiblicher Jay-Z aussehen könnte, und überholt dabei sogar die eigentliche Favoritin Beyoncé. Kein Vorbild und trotzdem auf inspirierende Art die Größte sein wollen, ist nur einer der vielen Wiedersprüche, von denen ihre Musik lebt.

Cardi B ist mit einem Mix aus Englisch und Spanisch aufgewachsen

Zu den Wider- kommen die Ansprüche, die an sie gestellt werden, denn Cardi B macht nicht einfach nur Hip-Hop, sondern ist ein weiblicher MC. Das ist eine, historisch gesehen, gleichzeitig weniger prekäre und trotzdem tragischere Position, als manchmal angenommen. Es gab immer Rapperinnen wie Tanya Winley alias „Sweet Tee“, deren „Vicious Rap“ vielleicht die beste Hip-Hop-Single des Jahres 1980 war, noch vor „The Breaks“ von Kurtis Blow. Die beste, nicht die meistverkaufteste allerdings, und von spätem Ruhm oder einfach der Genugtuung, Pionierin gewesen zu sein, kann man sich nichts kaufen, keine money moves machen.

Der Markt hat sich inzwischen vergrößert, erweitert und verkompliziert – eine Künstlerin wie Princess Nokia kann, trotz schwachen Albums und notdürftiger Produktion, vor begeistertem Publikum auf der ganzen Welt auftreten, weil sie nicht nur musikalisches Talent hat, sondern auch bislang vom Mainstream vernachlässigte oder diskriminierte Identitäten wie Queerness thematisiert. Mit Princess Nokia teilt sich Cardi B die hispanischen Wurzeln – ihr Vater kommt aus der Dominikanischen Republik und spricht mit ihr nur Spanisch, ihre Mutter ist von der Insel Trinidad und spricht nur gebrochenes Englisch. Dieser Sprachmix hat Cardi B geprägt. Eines der größten Vergnügen des Albums ist es, ihr einfach zuzuhören – sie reimt „finger“ mit „anger“ und verkündet, aus der „muhfuckin’ Bronx“ zu kommen.

Ihr Lieblingswort ist "bitch"

Wenn diese Art von Verbalkunst auch abseits der Rap-Szene Beachtung findet, dann meist nur mit einer ganzen Ladung Projektionen, Vorbehalten und Exotisierungen. So wie bei Haftbefehl, der erst zum neuen Goethe oder Savant verklärt werden musste, um ernst genommen zu werden, weil ein rauer, kluger und stilbildender Rapper aus Offenbach zu sein anscheinend nicht ausreicht. Möglich, dass Cardi B in manchen Kreisen das gleiche Schicksal droht, aber ihre Liebe für das gesprochene Wort ist ansteckend. Allein was sie mit den Wörtern „Lord“ (lang gezogen und mit offenem Ende) und „dollars“ (mit nasalem a) macht, ist schon Lobpreisungen wert. Im Porträt von Caity Weaver erklärt sie, wie lange sie über solche Feinheiten nachdenkt.

Ihr Lieblingswort hingegen ist „bitch“, manchmal als positive Selbstbeschreibung, manchmal als neutrales Füllwort, manchmal aber auch als vernichtendes Urteil zum Beispiel gegenüber allen Frauen, die vermeintlich etwas von ihrem Typen wollen. Momentan ist das der Rapper Offset von der Gruppe Migos. Im Vergleich zu deren reduziertem Trap-Sound klingt Cardi, die unter anderem Boogaloo-Ikone Pete Rodriguez sampelt und richtige stories erzählt, statt nur in Fetzen zu rappen, fast schon klassizistisch.

Ihre Eifersucht endet für den Lover fast tödlich

Aber es geht ihr sowieso eher um „mein Typ“ als Konzept. Dahinter steckt, aus dem marxistischen Ohrensessel betrachtet, ein problematischer Aspekt: Cardi B ist unsolidarisch bis in die Wimpern. Es ist kein Zufall, dass ihre populärsten Clips als Darstellerin der Reality-Soap „Love & Hip-Hop: New York“ sie dabei zeigen, wie sie anderen Frauen den Krieg erklärt. Eifersucht und Betrug sind wiederkehrende Motive, der Song „Thru Your Phone“ ist eine Eifersuchts-Fastmordballade, weil sich Cardi B am Ende doch noch entscheidet, ihrem untreuen Freund kein Bleichmittel in die Cornflakes zu schütten.

Das ist die rauere Variante von Beyoncés „Lemonade“, in dessen Herzen unter der vermeintlich radikalen Schicht eher eine gefällige „Stand by your man“-Geschichte stand. Jay-Z hat es nicht geschadet, inzwischen geriert er sich als Über- Ally, weil er großherzig akzeptiert hat, dass seine Mutter lesbisch ist. Beyoncés wahrer Zorn galt ohnehin nicht ihm, sondern seiner Affäre „Becky with the good hair“, deren reales Vorbild dann auch von Fans attackiert und „gewöhnliches Flittchen“ genannt wurde. Dass es gar keine Flittchen gibt, diese Idee ist anscheinend zu radikal.

„You’re a worker, bitch“, weist Cardi B ihre Gegnerinnen zurecht, und setzt später noch nach, indem sie Snoop Dogg zitiert: „Hoes down, Gs up“. Schon vor fast 20 Jahren hat das marxistische Rap-Duo The Coup aus Oakland diese Formel umgedreht: Sie rufen „Pimps down, hoes up“, während sie, fast prophetisch, auf dem Bentley von Donald Trump stehen. Im Gegensatz zu dieser Befreiungsvision hat Cardi B nur sehr packend umgesetzte authentische Verwirrung und ebenso packende Selbstermächtigungsgesten zu bieten, was im Hip-Hop ja durchaus ausreicht, aber eben nicht immer. Sie lebt in einer komplizierten und ungerechten Welt. Money moves führen vielleicht aus ihr hinaus – oder nur noch tiefer in sie hinein.

Fabian Wolff

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