60. Grammy-Verleihung: Erdbeer-Champagner und weiße Rosen
Bruno Mars war der große Überraschungssieger bei der 60. Grammy-Verleihung in New York. Kendrick Lamar wurde für das beste Rap-Album geehrt. Jay-Z ging leer aus.
Welche eine Demütigung. Für acht Grammys ist Jay-Z nominiert, keinen einzigen bekommt er. Dreieinhalb Stunden lang muss sich der Rapper anhören, wie ein Konkurrent nach dem anderen auf die Bühne des Madison Square Garden gerufen wird. Und das auch noch in seiner Heimatstadt New York, wo der wichtigste US-amerikanische Musikpreis erstmals seit 15 Jahren wieder verliehen wird.
Dass der Mann mit den meisten Nominierungen keinen einzigen Grammy gewinnt, ist nicht nur mathematisch erstaunlich, sondern auch künstlerisch schwer nachvollziehbar, hat Jay-Z doch im vergangenen Jahr mit „4:44“ ein beeindruckendes Album veröffentlicht, auf dem er – getragen von klug ausgewählten und sehr teuren Samples – sowohl politische als auch private Themen ansprach. Rassismus, die Reue über seine ehelichen Fehltritte, Solidarität mit seiner lesbischen Mutter – es war Jay-Zs Rückkehr zu alter Form, sein bestes Album seit zehn Jahren.
Jay-Z bekam nur den Sonderpreis "Ikone der Musikbranche"
Dass diese Leistung derart ignoriert wird, wirft die Frage auf, ob außermusikalische Gründe eine Rolle gespielt haben. Wollte die aus Branchenvertretern bestehende Jury den 48-Jährigen, der schon 21 Grammys gewonnen hat, für seinen jahrelangen Boykott des Preises abstrafen? Von 1998 bis 2004 war Jay-Z der Zeremonie fern geblieben, weil er fand, dass Hip-Hop dort nicht den Respekt bekomme, den er verdiene. Das ist zwar lange her und am Gala-Vortag wurde der Rapper sogar mit dem Sonderpreis „Ikone der Musikbranche“ ausgezeichnet, doch seine damalige Einschätzung scheint heute noch zuzutreffen. Denn der große Gewinner der 60. Grammy Awards heißt Bruno Mars, was angesichts der Konkurrenz wirklich ein Witz ist. Mars erhält sechs Preise, davon die wichtigsten: den für das beste Album und den für den besten Song.
Bruno Mars trat mit Cardi B auf
Seine im November 2016 erschienene dritte Platte „24K Magic“ – zugelassen waren zwischen Oktober 2016 und September 2017 veröffentlichte Werke – ist ein nettes R’n’B-Album mit hohem Pastiche-Anteil und ebenso hohem Eskapismusfaktor. Der 32-Jährige Hawaiianer singt darauf über Erdbeer-Champagner und Sex am Kamin. Entsprechend harmlos auch sein Show-Auftritt mit dem Michael-Jackson-inspirierten Song „Finesse“, den er begleitet von einer Band in bonbonbunten Retro-Outfits präsentiert. Zum Glück bringt wenigsten Gast-Rapperin Cardi B etwas Schwung in die Sache.
Zum dritten Mal wurde Kendrick Lamar beim Hauptpreis übergangen
Ein derart gefälliges, unpolitisches Album wie „24K Magic“ mit Grammys zu überhäufen, wirkt in turbulenten Zeiten wie diesen seltsam und unangemessen – zumal es relevantere, hochwertige Alternativen gegeben hätte. Allen voran den sieben Mal nominierten Kendrick Lamar mit „Damn.“, einem von der Kritik im letzten Jahr einhellig gelobten weiteren Beweis der Großmeisterschaft des Rappers aus L.A.. Dass er nun schon zum dritten Mal in der Königskategorie übergangen worden ist, scheint Jay-Zs Diktum vom mangelnden Respekt zu bestätigen. Immerhin gewinnt Lamar dann die Preise für das beste Rap-Album, den besten Rap-Song.
Bei seiner Dankesrede spricht er davon, wie Hip-Hop ihn als Künstler geprägt hat, wobei man sein Dauerlächeln mit Blick auf die kleine Grammophon-Trophäe dabei auch so deuten konnte, dass für ihn ohnehin keine andere Kategorie zählt. Stimmt ja auch: Rap hat in den USA inzwischen den Rock als wichtigstes Genre abgelöst. „Jay-Z for president“, sagt Lamar bevor er von der Bühne geht.
Mal sehen, ob er in den nächsten Jahren noch Lust hat, bei den Grammys aufzutreten. Dieses Mal sorgte er jedenfalls für die fulminante Eröffnung des wieder von James Corden moderierten Spektakels. Vor einer eingeblendeten Amerika- Flagge, umringt von einem Tänzertrupp in Sturmhauben und Camouflage-Kleidung rast der kleine Mann mit der Zöpfenfrisur durch die Zeilen von „XXX“: „Ain’t no Black Power when your baby killed by a coward/I can't even keep the peace, don’t you fuck with one of ours/ It be murder in the street, it be bodies in the hour“, droht er. Dann erscheinen auf der Leinwand die Worte „This is a satire by Kendrick Lamar“ und The Edge und Bono von U2 kommen herein – bisschen gemein diese Einführung, doch die beiden gehen souverän am knieenden Lamar vorbei, um ihren Teil des Songs zu spielen. Als Überraschungsgast unterbricht der Komiker Dave Chappelle die Performance mit der Ansage: „Das Einzige, was noch beängstigender ist als einem Schwarzen dabei zuzusehen, wie er ehrlich mit Amerika ist, ist ein ehrlicher Schwarzer in Amerika zu sein.“
Die Themen Rassismus und Diversity sind immer wieder präsent bei den 60. Grammys, auch Seitenhiebe auf Trump gibt es einige. Die Sexismus-Debatte wird hingegen nur gestreift. So tragen Gäste wie Lady Gaga, Pink, oder Sam Smith zwar weiße Rosen, womit sie ihre Solidarität mit der Time’s-Up-Initiative demonstrieren und auch auf Elton Johns Flügel liegt beim Duett mit Miley Cyrus eine Rose. Doch direkte Worte kommen nur von Sängerin und Schauspielerin Janelle Monáe, die sagt: „Die Zeit der ungleichen Bezahlung, der Diskriminierung und Belästigung jeder Art und des Missbrauchs von Macht ist vorbei“. Sie fügt hinzu, dass nicht nur Hollywood und Washington betroffen seien, sondern auch die Musikbranche. Allerdings sind bisher nur erstaunlich wenige Fälle bekannt geworden.
Kesha war den Tränen nahe
Lange vor „Metoo“ ging die von Monáe anmoderierte Kesha juristisch gegen ihren Produzenten Lukasz Gottwald alias Dr. Luke vor, dem sie unter anderem vorwarf, sie vergewaltigt zu haben. Er stritt das stets ab und wurde auch nicht verurteilt. Kesha blieb bei ihrer Version und veröffentlichte 2017 ihr Album „Rainbow“, auf dem sich das Stück „Praying“ befindet. Es kann als Abrechnungsballade verstanden werden. In New York singt die 30-Jährig den Song zusammen mit 14 wie sie in weiß gekleideten Sängerinnen, darunter Cindy Lauper und Camila Cabello. Nach ihrer Darbietung am Rande der Tränen nehmen die Frauen sie in die Arme.
Übrigens gingen die Haupt-Grammys größtenteils an Männer. Im nächsten Jahr wird Taylor Swift dann wieder dagegenhalten – und die "Metoo"-Debatte ist hoffentlich ein paar Schritte weiter.
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