Peter-Kern-Filmreihe im Kino Arsenal: Mein Fett, meine Angst, meine Sehnsucht
Zürnen und lieben: Das Kino Arsenal feiert den österreichischen Filmemacher und Schauspieler Peter Kern mit einer Filmreihe.
Auf Berlin ist wenigstens Verlass, wenn es um unangepasste Exzentriker geht. Da ehren sie den Wiener Peter Kern anlässlich seines 65. Geburtstages ab dem heutigen Freitag mit einer Filmreihe und Filmgesprächen. Da schicken illustre Kulturschaffende wie Elfriede Jelinek, Hans W. Geissendörfer und Ulrich Seidl Grußworte. Da erscheinen Gäste wie Irm Hermann, Mitstreiterin aus alten Fassbinder-Tagen, oder Bibiana Beglau, Rosa von Praunheim und Axel Ranisch, um mit dem eigens anreisenden Peter Kern im Kino Arsenal im Filmhaus am Potsdamer Platz über vier seiner knapp 30 als Regisseur verfertigten Filme zu reden. Und daheim in Österreich? Passiert nix! Schon seit Februar nicht, als der Geburtstag war. Wie immer, stellt Peter Kern im Gespräch halb grimmig, halb gottergeben fest, „hier ignoriert man mich grundsätzlich!“
Das Fernsehen, für den großen Zürner Peter Kern eh ein unerträglicher Hort der Oberflächlichkeit und des Mittelmaßes, zeige seine Filme grundsätzlich nicht. Und auch die Filmförderung habe ihn immer wieder verschmäht. „Darum habe ich mich ja vor Jahren entschieden: Scheiß auf’s Geld und arbeite nach dem Fassbinder-System!“ Also Low-Budget-Produktion mit Rückstellungen für Schauspieler und Team. Der Produktivität des unermüdlichen Autors, der als Schauspieler Ende der Sechziger seinen Durchbruch mit dem Musical „Hair“ feierte und seither vom Wiener Burgtheater bis zur Berliner Volksbühne auf allen nennenswerten Bühnen gestanden hat, hat das nie geschadet. Im Gegenteil. Während in Berlin erstmals das in Cinemascope und Schwarzweiß gedrehte Vergänglichkeitsdrama „Sarah und Sarah“ zu sehen ist, bereitet er in Wien bereits das Erscheinen seines nächsten Filmes vor. „Der letzte Sommer der Reichen“, heißt der gerade endproduzierte Film. „Wahrscheinlich kommt der auf die nächste Berlinale“, sagt Peter Kern. Da ist er Stammgast und hat zuletzt 2012 „Glaube Liebe Tod“ vorgestellt.
In Berlin sind auch paar Szenen von „Sarah und Sarah“ entstanden. Bei einer Autofahrt rund um die Siegessäule und einem Empfang in der Österreichischen Botschaft, wo Peter Kern – nach guter alter subversiver Sitte – selbstredend ohne Drehgenehmigung gefilmt hat. Passend zum Thema des Peter-Kern-Tributes „Schauplatz Körper“ erzählt der Film von der versponnen Freundschaft zweier Todgeweihter: der dementen Greisin Sarah, einst gefeierter Filmstar und Mitwirkende in NS-Propagandafilmen, und eines zehn Jahre alten krebskranken Jungen, der sich nach seiner toten Mutter Sarah nennt. In zärtlichen Bildern zeigt der große Liebende Peter Kern die verblühenden Leiber der beiden, wobei der Schönheit des nackten Greisinnenkörpers seine besondere Aufmerksamkeit gilt. Da habe sich doch einem österreichischen Filmfestival glatt eine alte Frau empört, dass er eine alte, faltige Frau nackt zeigt, sagt Peter Kern. „Stellt die sich hin und regt sich darüber auf, wie sie selber, wie ihr eigener Körper ist!“
Peter Kern kann’s immer noch nicht fassen. So hirnverbrannt, das ureigene Sein zu negieren, war er nie. Sein voluminöser Leib ist nicht nur schauspielerisches Instrument, sondern immer auch Schauplatz der Körperbilder des Peter Kern gewesen. Auch wenn ihm dessen Vergänglichkeit im Geburtstagsjahr nur zu bewusst ist. Schrecklich sei das, jeden Tag ein toter Schauspieler in der Zeitung. „Meine Generation stirbt, das macht mir wahnsinnige Angst!“ Das ist auch ein Grund, weswegen er in „Sarah und Sarah“ versucht, sanfte Bilder für den Tod zu finden. Untermalt übrigens mit Mahlers 5. Sinfonie, eine sofort an Aschenbachs Sterbeszene in „Tod in Venedig“ erinnernde Visconti-Hommage. „Alle meine Filme setzen sich aus meinem riesenfetten Körper zusammen, es ist immer meine Sehnsucht, mein Schmerz, meine Angst.“ Er sei auch furchtbar hypochondrisch und lasse sich durchchecken.
Offensichtlich nicht oft genug. Im Februar musste er nach einem anstrengenden Dreh ins Krankenhaus. Der Befund: Wasser in der Lunge. Er hat von 200 auf 140 Kilo abgespeckt, isst kein Schnitzel mehr. „Wenn ich diese obszönen Fernsehbilder von Kriegstoten sehe, die dem Westen in seiner verlogenen Liberalität völlig egal sind, kann ich sowieso kein Fleisch mehr essen.“ Peter Kerns Weltekel ist immer noch so unbändig wie seine Menschenliebe, für die in der Tribute-Reihe gezeigte Filme wie das Huren-Biopic „Domenica“ von 1993 und die Stripper-Komödie „Crazy Boys“ von 1987 stehen. Auch als Schauspieler ist er dort zu sehen: in Hans W. Geissendörfers modernem Heimatfilm „Der Sternsteinhof“ von 1975, wo er ein echtes Viech, einen Großbauernsohn spielt.
Was die Wirksamkeit seiner Filme angehe, sei er eher pessimistisch, sagt der Homosexuelle, Operettenfan, Komödienfreund, der sich viel lieber eine „Kitschliesl“ als einen intellektuellen Filmemacher nennt. Dafür spricht auch sein verschwenderischer Einsatz von Filmmusik, die ihm nach dem Bild und vor dem Wort das zweitwichtigste Erzählmittel ist. „Ich habe lange geglaubt, dass meine Filme die Welt verändern können, einen Diskussion in Gang setzen, eine Plattform zum Denken bieten.“ Inzwischen kommen ihm da Zweifel. Zu bequem, zu stupide seien die Leute, zu einfallslos und gewalttätig die Zeiten. Wovon der nächste Film handelt? „Von einer sehr reichen Frau, die alles hat, nur die Liebe nicht“, dröhnt Peter Kern laut und lebhaft. Kein Zweifel, sie geht weiter, die ewige Liebessuche des Peter Kern.
Kino Arsenal, 15. August, 19.30 Uhr, 16.-18. August, jeweils 20 Uhr
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