Videospielverfilmung "Tomb Raider" im Kino: Mein Bild gehört mir
Lara Croft und ihre Mitstreiterinnen: Lange dienten Actionheldinnen in Hollywood als Männerfantasien im sexy Outfit. Ein Ensemble an Schauspielerinnen bricht mit diesem überholten Rollenverständnis.
Vielleicht fühlt man sich heute tatsächlich wie bei der Fuchsjagd, als junge Frau mit eigenem Kopf und selbstbestimmtem Karriereplan in der Löwengrube Hollywood: verfolgt von einem Rudel adrenalinpumpender Jungmänner, immer auf der Hut vor plötzlich auftauchenden Hindernissen. Mit dieser Action-Szene beginnt das Reboot der Jump-and-Run-Videospielverfilmung „Tomb Raider“ des norwegischen Regisseurs Roar Uthaug, die seit Donnerstag in den Kinos läuft.
„Fuchsjagd“ nennt sich das Wettrennen zwischen Fahrradkurieren, in Zeiten des Diesel-Skandals die neuen Gladiatoren der Straße. Das Ziel besteht darin, dass der „Fuchs“, in diesem Fall eine „Füchsin“, vor den Verfolgern ins Ziel kommt – quer durch die irrwitzige Londoner Rush Hour, unter Missachtung aller Verkehrsregeln. Lara Croft, designierte Familienerbin, die den Tod des Vaters erfolgreich verdrängt und sich als Fahrradbotin über Wasser hält, nimmt die Herausforderung an, zur Freude ihrer feixenden Kollegen. Ihnen vergeht das Lachen schnell.
Eine schwierige feministische Heldin
Die halsbrecherische Verfolgungsjagd auf zwei Rädern ist der (leider viel zu frühe) Höhepunkt von „Tomb Raider“, der sich einer komplizierten Aufgabe angenommen hat. In einer Phase, in der schlagkräftige Actionheldinnen und feministische Superfrauen zum guten Ton im Blockbusterkino gehören, reklamiert er seinen Beitrag zum weiblichen Empowerment. „Tomb Raider“-Heldin Lara Croft ist hierfür eine denkbar schwierige Figur.
Bei ihrer Einführung in den männlich dominierten Game-Markt Mitte der Neunziger hob sich die junge Archäologin, ein Gegenentwurf zu „Indiana Jones“, von den Super Marios und Prügelknaben aus der „Mortal Kombat“-Reihe durch ihre Pin-Up-Gestalt ab: Shorts, Tanktop und ausladende Oberweite – laut der Entwicklerfirma Crystal Dynamics, um die Physiognomie der weiblichen Figur in der pixeligen 32-Bit-Ära von ihren männlichen Widerparts zu unterscheiden. Schon klar. Die Neunziger gehörten noch einer anderen Zeitrechnung an, damals feierte auch Harvey Weinstein seine größten Erfolge.
Lara Croft wurde in den letzten Jahren bereits einer Imagekorrektur unterzogen, um den Widerspruch von Männerfantasie und feministischer Ikone einzuebnen. Hier war die Game-Industrie schneller als Hollywood. Im Kino hat die Schwedin Alicia Vikander die undankbare Rolle von Angelina Jolie übernommen, die damals noch von ihrem fragwürdigen Nimbus der sexiest woman alive zehrte. Vikander ist der jüngste Zuwachs im Ensemble neuer Actiondarstellerinnen. Sie gesellt sich zu Scarlett Johansson, Gal Gadot, Charlize Theron, Jennifer Lawrence und Lupita Nyong’o mit ihrer „Black Panther“-Girlgang, die gerade energisch mit überholten Rollenbildern in Hollywood aufräumen.
Das Bild der Kämpferin ist sexualisiert
Nicht, dass Frauen mit Knarren in Hollywood an sich schon eine Zeitenwende bedeuten. Es gab sie immer: Sigourney Weaver auf „Alien“-Jagd, „Kill Bill“-Star Uma Thurman im „Pussymobil“, Michelle Rodriguez in den „Fast and Furious“-Filmen. Aber der Blick auf weibliche Figuren verändert sich, und damit auch das Anforderungsprofil an eine Actionheldin.
Das Bild der Kämpferin ist im Grunde seit der Antike sexualisiert: von den Amazonen der griechischen Sagenwelt, über Wagners ätherische Walküren bis zu den von Angela Davis inspirierten Heldinnen des Blaxploitationkinos mit ihren Afros. Natürlich ist die Ikonografie waffenstarrender Frauen per se noch kein Feminismus. Selbst in den Filmen von Quentin Tarantino waren girls with guns immer ein Jungsfetisch, dem selbst Godard verfallen war. Es kommt daher auf Details an, auf die Inszenierung von Körperbildern und das Blickregime der Kamera.
Angesichts der wirtschaftlichen Dimension moderner Mega-Franchises kann man bei der aktuellen Welle von Actionheldinnen von einer regelrechten „Re-Branding“-Offensive sprechen. Scarlett Johansson, die zu Beginn ihrer Karriere selbst oft genug in der Rolle der blonden „Männerfantasie“ besetzt wurde, erfand sich als Kampfmaschine („Lucy“) und Superheldin („The Avengers“) neu, Gal Gadot („Wonder Woman“) kam ihre Ausbildung in der israelischen Armee zugute und Charlize Theron kaperte das Remake des Endzeit-Klassikers „Mad Max“, sie degradierte den grunzenden Titelhelden zum Handlanger. Regisseur George Miller hatte eigens Eve Ensler, Autorin der „Vagina-Monologe“, für einen „feministischen Actionfilm“ konsultiert. An seinem „Mad Max: Fury Road“ müssen sich künftig alle messen.
Selbstermächtigung als ökonomisches Modell
Etwas Ähnliches schwebte wohl auch Regisseur Uthaug vor, mit der Oscar-Preisträgerin Alicia Vikander fand er im Prinzip auch die richtige Darstellerin für sein Projekt. Vikander hat kürzlich eine Firma gegründet, die Filme von Frauen produziert. Sie gründet den Wunsch nach Selbstermächtigung auf einem ökonomischen Modell. In „Tomb Raider“ wirkt sie dagegen, als einzige Frau unter Männern, auf verlorenem Posten. Repräsentation allein reicht nicht als feministisches Statement, es ist allenfalls eine Grundvoraussetzung.
Lara Croft bietet außer ihrer brettharten Bauchmuskulatur keine starken Argumente. Als junge Frau mit Vaterkomplex erinnert sie eher an die jugendlichen Heldinnen aus den generischen Fantasy-Reihen, die Hollywood nach „Die Tribute von Panem“ en masse produzierte. Lara Croft schlägt die Jungs beim Radfahren und hangelt sich über einem tosenden Wasserfall an einem Flugzeugwrack entlang. Aber „Tomb Raider“ wirkt in seiner Vorstellung von Feminismus nicht weniger naiv als die Videospiele aus den Neunzigern.
Die resoluten Frauen von Wakanda
Viel klüger machte es da zuletzt Marvel mit „Black Panther“. Der erste afrikanische Superheld stellt aus vielen Gründen einen kulturellen Meilenstein dar, vor allem aber hat Ryan Cooglers Film mit seiner Zelebrierung von sisterhood schon jetzt mehr für die Diversifizierung weiblicher Rollenbilder im Kino erreicht als alle anderen Blockbuster in der letzten Zeit. Königssohn T’Challa wird von den resoluten Frauen Wakandas unterstützt: seiner Queen Mom, einer Wissenschaftlerin (Schwester Shuri, die ihn mit technischen Gimmicks versorgt), einer schlagfertigen Agentin (seine Ex Nakia, gespielt von Lupita Nyong’o) und der kahlrasierten Leibwächterin Okoye. Diese stolze Frauengarde an der Seite eines schwarzen Superhelden ist schon jetzt das denkwürdigste Bild des Kinojahres.
Und selbst da, wo sich das Unterhaltungskino noch immer veralteter Rollenmodelle bedient, gelingt der Imagetransfer. Jennifer Lawrence in „Red Sparrow“ und Charlize Theron in „Atomic Blonde“ verkehren das Klischee der Kalten Kriegerin, die Sex als Waffe einsetzt, fulminant. Ihnen geht es in zweifacher Hinsicht darum, in den patriarchalen Machtspielen die Kontrolle über den eigenen Körper zu bewahren. Theron liefert sich in „Atomic Blonde“ einen der eindrucksvollsten, kräftezehrendsten Faustkämpfe der jüngeren Filmgeschichte. Die mahnenden Worte, die sie ihrem männlichem Widersacher beim finalen Todesstoß mitgibt, sind Programm für die neuen Actionheldinnen: „Ich bin meine eigene Bitch.“
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