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Pädophile Weihnachtsmänner. Daniel (l.) in der Dok „Danielkv Svxt“
© Berlinale

Berlinale 2015: Mehrere Filme über Pädophilie und Missbrauch

Pädophilie, Vergewaltigung und der freie Wille: Im Panorama werden mehrere Filme zum Thema Missbrauch gezeigt.

Daniel steht vor dem Spiegel und schmiert sich schwarze Farbe ins Gesicht. Für die lieben Kinder, die ihn als Knecht Ruprecht sofort erkennen sollen. Der 25-jährige Literaturstudent streicht sich die langen, braunen Haare aus dem Gesicht und lächelt. Er freut sich, mag die kleinen Jungen doch so sehr. Er mag sie zu sehr.

In dem Dokumentarfilm „Danielkv Svxt“ begleitet die tschechische Regisseurin Veronika Lišková einen Pädophilen. Sie zeigt ihn beim Friseur, beim Schlittschuhlaufen, am Rand von Spielplätzen. Zu schlichten, langsamen Bildern erzählt er aus dem Off, wie es ihm mit seinen Sehnsüchten geht. Er ist verliebt in einen Sechsjährigen. Den kurzen Treffen mit ihm fiebert er entgegen.

Panorama-Chef Wieland Speck nennt „Danielkv Svxt“ den „Tabu-Sprenger überhaupt“. Daniel tut in dem Film nichts Verbotenes. Er geht zum Sexologen und einer Selbsthilfegruppe. Er verheimlicht seine Neigung nicht, sondern spricht offen darüber. Die Regisseurin zeigt einen pädophilen Mann, der Mitgefühl weckt, kein Monster. Dennoch hinterlässt der Film einen bitteren Nachgeschmack, wenn man etwa an Daniels Fotowand mit der Collage strahlender Kindergesichter denkt.

Warum Szenen, die kaum zu ertragen sind?

Welch grausame Konsequenzen Pädophilie haben kann, wird im Schwarz- Weiß- Film „Chorus“ von François Delisle deutlich. Hugo ist acht Jahre alt, als er entführt wird. Nie wieder wird er nach Hause kommen. Seine Eltern Irène (Fanny Mallette) und Christophe (Sébastien Ricard) zerbrechen daran, auf ihn zu warten, zu hoffen. Doch irgendwann sind ihre Grenzen erreicht. Christophe geht nach Mexiko, findet ein bisschen Frieden in bedeutungslosen Bettgeschichten und im Meer. Irène flüchtet in die Musik. Nach zehn Jahren kommt der Anruf, Hugo wurde gefunden, tot. Es ist das erste Mal, dass sich das einstige Paar wiedersieht. Als die beiden im Verhörzimmer sitzen und auf einem Tonband hören, wie der Entführer ihres Kindes den Missbrauch und Mord an ihm gesteht, gehen sie an ihrem Schmerz fast noch einmal kaputt.

Warum so viele Filme zum Thema, auch Rosa von Praunheims „Härte“ über den als Kind missbrauchten Karatechampion Andreas Marquardt? Warum diese Szenen, die kaum zu ertragen sind? Weil Missbrauch, weil Pädophilie existieren. „Weil kaum jemand mit dem Thema umgehen möchte“, sagt Speck. Es sei tabuisiert und schwer zu fassen, obwohl die Bilder millionenfach durchs Netz schwirren. Speck möchte, dass diskutiert wird, nur so kann es eine sinnvolle Prävention geben. „Wie damals bei Aids“, sagt er. Denn: Jedes dritte Mädchen werde einmal in seinem Leben begrapscht, mindestens. So wie die 16-Jährige in „Der letzte Sommer der Reichen“ von Peter Kern.

Eine Vergewaltigung bleibt für immer

Eingerollt und halbnackt liegt das Mädchen vor dem Schreibtisch von Hanna von Stezewitz (Amira Casar) und zittert. Sie hatte sich Hoffnungen auf einen Modelvertrag gemacht. Doch die Geschäftsfrau im schwarzen Lackmantel vergewaltigt sie mit einem Gegenstand. Schon lange hat die lesbische SM-Fetischistin nichts mehr gespürt, und wenn, dann nur für einen flüchtigen Moment, bei Fesselspielchen im Bordell oder bei den Drogenpartys der Wiener Upper Class. Warum diesem lieben Mädchen nicht die Unschuld nehmen? Hanna von Stezewitz hat die Macht dazu, also tut sie es. Kerns Film ist ein Mix aus Thriller, schwarzer Komödie und Satire, die Handlung ziemlich überdreht – was dem Sujet nichts von seiner Schärfe nimmt. Eine Vergewaltigung bleibt für immer, sie nimmt dem Opfer ein Stück seiner Seele.

Auch Stefanía hat früh Missbrauch durch einen Cousin erlebt. Stefanía, eine Transsexuelle, lebt in Uruguay. Nach vielen Jahren besucht sie ihre Familie in Nicaragua, von der sie als Kind weggelaufen ist. Regisseur Aldo Garays hat Stefanía lange begleitet, ihr Leben festgehalten, das von politischem Engagement, aber auch von Gewalt, Drogen und Prostitution geprägt ist. „El hombre nuevo“ ist das einfühlsame Porträt einer Frau, die einst Roberto hieß. Schon als Junge irritierte er offenbar seine Familie. Ob es deshalb zu der Vergewaltigung kam? Stefanía sagt: „Acht Geschwister und acht Cousinen und Cousins haben in unserem kleinen Haus gelebt“. Da könne das eben passieren. Eine Verharmlosung. Vielleicht auch aus Selbstschutz oder aus Scham darüber, sich nicht gewehrt zu haben.

Dora versteht nicht, was mit ihr passiert

Auch Dora wehrt sich nicht, als ein Fremder sie gegen die Wand einer U-Bahn-Toilette drückt und von hinten in sie eindringt. Sie sagt auch nicht Nein. Weil sie gar nicht versteht, was da gerade passiert. In „Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ ist die Hauptdarstellerin (Victoria Schulz) geistig behindert und gerade 18 geworden. Weil ihre Mutter ihre Beruhigungstabletten abgesetzt hat, fängt Dora langsam an, ein Verlangen nach Nähe und Sex zu spüren. Die Eltern sind geschockt, als sie von der Vergewaltigung erfahren, doch Dora mag Peter (Lars Eidinger), diesen düsteren, attraktiven Mann und trifft sich weiter mit ihm. Dann wird sie schwanger, treibt ab, wird wieder schwanger.

Aber will sie ein Kind? Kann sie es aufziehen? Können die Eltern ihr den Kontakt mit Peter verbieten? Dora möchte selbstbestimmt leben. Was ist richtig, was falsch? Und wann wird er verletzt, der freie Wille?

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