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Die türkische Autorin Asli Erdogan auf der Leipziger Buchmesse, per Skype zugeschaltet aus Istanbul.
© Hendrik Schmidt/dpa

Aslı Erdoğan und die Zensur in der Türkei: "Man kann nicht schreiben, ohne sich die Hand zu verbrennen"

Die türkische Schriftstellerin Aslı Erdoğan stellt bei der Leipziger Buchmesse ihren Essayband vor - per Skype. Letztes Jahr saß sie im Gefängnis, jetzt darf sie ihr Land nicht verlassen.

Als an diesem ersten Leipziger Buchmessentag das erste Mal die Sonne herauskommt und auf die Glashalle des Messegeländes scheint, könnte das unpassender nicht sein. Fast ein wenig bizarr wirkt es. Denn just in diesem Moment beginnt die Vorstellung von Aslı Erdoğans gerade auf Deutsch erschienenen Essayband mit dem Titel "Nicht einmal das Schweigen gehört uns". Die 1967 in Istanbul geborene Schriftstellerin und gelernte Physikerin saß vergangenes Jahr nach dem Putschversuch in der Türkei fast fünf Monate in einem Istanbuler Gefängnis, ihr wurde vorgeworfen, einer terroristischen Vereinigung anzugehören. Nach ihrer Freilassung hat nun dieser Tage der Prozess gegen sie begonnen, Asli Erdogan droht lebenslange Haft, und sie darf die Türkei nicht verlassen.
Weshalb sie nicht mit auf dem Blauen Sofa sitzt, sondern per Video aus einem Istanbuler ZDF-Studiozugeschaltet wird, zu einer Runde mit dem Börsenvereinsgeschäftsführer Alexander Skipis und mit einem der Übersetzer ihrer Essays, Oliver Kontny. Als einen "Höhepunkt" dieser Messe bezeichnet Moderator Daniel Fiedler ebenfalls leicht unpassend diese Veranstaltung, die sich um die politische Situation in der Türkei dreht, insbesondere um die prekäre Lage der bedrohten oder inhaftierten Journalistinnen, Schriftsteller, Wissenschaftler oder Professorinnen.

Aslı Erdoğan sagt, es sei die schwierigste Zeit ihres Lebens

Man merkt Aslı Erdoğan selbst auf dem Bildschirm an - im Hintergrund ist der Bosporus zu sehen und Istanbuler Verkehrslärm zu hören -, dass sie nicht in der allerbesten Verfassung ist. "Sehr schwierig" sei es gerade für sie, sie habe Angst, dass jederzeit wieder Polizisten morgens vor ihrer Haustür stehen, jederzeit könne man in der Türkei verhaftet werden, man brauche nur zum falschen Zeitpunkt an einem falschen Ort vermeintlich Falsches zu sagen. Einen gewissen Widerwillen wegen des großen öffentlichen Interesse an ihr, spürt Oliver Kontny bei Aslı Erdoğan, und als sie gefragt wird, wie sie damit umgehe, ein Symbol der Meinungsfreiheit zu sein, scheint sich Kontnys Einschätzung zu bestätigen. "Es ist gerade die schwierigste Zeit in meinem Leben", antwortet sie ausweichend. "Ich bin Schriftstellerin, ich erzähle Geschichten, außerdem geht es gerade nicht nur mir so, sondern vielen Anderen."

Aslı Erdoğan will weiterschreiben, "damit ich nicht alles verliere"

Tatsächlich muss sie dann noch zu den Nazivergleichen des türkischen Präsidenten Erdogan Stellung nehmen oder zum Referendum über die geplante Verfassungsänderung Mitte April. Was sie aber klaglos tut. Von 248 von der türkischen Polizei angegriffenen Kundgebungen spricht Aslı Erdoğan, davon dass ihr Land inzwischen viel mehr an einen Nazi-Staat erinnere.

Große Hoffnung, dass Erdoğan die Abstimmung verlieren werde, hat sie nicht. Trotzdem, Angst hin, Überforderung her: "Ich werde weiterschreiben, damit ich nicht alles verliere. Man kann nicht schreiben, ohne sich die Hand zu verbrennen. Und im Moment brennen auch die Arme, der Kopf, die Haare. Aber ich bin nicht allein. Es gibt viele Menschen in der Türkei, die sich wie ich für die Demokratie einsetzen." Als sie das sagt, ist die Sonne auch in Leipzig wieder verschwunden.

Mehr zur Leipziger Buchmesse finden Sie hier: www.tagesspiegel.de/leipziger-buchmesse

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