Funny van Dannen live in Berlin: Lieder von Liebe und Lymphe
Ach, Funny! Van Dannen spielt beim ersten seiner beiden „Alt & neu & unbekannt“-Konzerte im Berliner Lido viel zu viel - und macht trotzdem selig.
Ach, Funny, was soll ich noch sagen? Nach all den Jahren, all den Platten, all den Abenden mit deiner Musik? All den Freundschaften und Verliebtheiten? Verdammt, ich habe meine Frau kennengelernt, während wir deine Lieder sangen! Soll ich da einen lässigen Verriss schreiben zum ersten deiner beiden „Alt & neu & unbekannt“-Konzerte, den einzigen in diesem Herbst? Ein bisschen nörgelndes „Dem Herrn fällt auch nix Neues mehr ein“ und am Schluss dann „Tja, wenn die musikalischen Mittel allzu begrenzt sind, hilft auch alle Herzensbildung nix“?
Nein, das wäre ja verlogen, denn auch ich habe am Mittwochabend im Kreuzberger Lido geklatscht, gelacht, gejohlt und versonnen in die Ferne geblickt. Ich war ganz Teil eines angenehm aufmerksamen und erstaunlich dreißigjährigen Publikums – du bist ja schon 57! Auch ich habe gedacht: Mensch, wenn nur alle Menschen wären wie Funny, so gütig und fein, so lustig und angenehm, so melancholisch und freundlich gegenüber allem Leben, dann wäre diese Welt ein verdammt guter Ort! Und das habe ich nicht nur bei den Klassikern am Ende und in den zwei Zugabenblöcken gedacht – „Junge Christen“, „Anita war ein Junge“, „Freundinnen“, das ist ja so meine Funny-Zeit.
Nein, ich war auch zu Beginn und zwischendurch während dieser guten zwei Stunden immer wieder mal ganz bei dir, bei Sachen, die mir neu waren. Den Pegida-Wahnsinn zu Beginn mit einem fröhlich-albernen Lied über ein „Sekogi“ – ein „sehr kompliziert gebautes Insekt“ – abzuräumen, das war schon genau richtig nett.
Über schlampig versteckte Zoten wie „Es geht immer um Geld oder Sex, sagte eine Frau, die mich gratis berät“ kann ich mich minutenlang amüsieren. Und als nach zwei etwas gröligen Songs plötzlich dieses Lied kam, darüber, dass es alle möglichen schlimmen Dinge auf der Welt gibt, aber eben auch Menschen, die beim Anblick einer „wunderbaren Heiligen aus amerikanischem Privatbesitz“ zu weinen anfangen: Da war ich selig.
Wie viel Glück kann man von einem Konzert erwarten? Eigentlich ja kaum mehr. Aber da ich glücklich, selig und unzufrieden zugleich sein kann: Mir waren es selbst für ein Funny-Konzert zu viele Lieder! Waren es 30, 40 gar, inklusive der Kürzestsongs und Fragmente? Die nehme ich dir nicht übel. Grad unter einem Titel wie „Alt & neu & unbekannt“ ist Ausprobieren Programm.
Nur – da kommt dann doch das mit den begrenzten musikalischen Mitteln ins Spiel: Der stets gleiche Aufbau mit Gitarrengeschrammel und Gepfeife am Anfang hat mich irgendwann etwas genervt. Auch die Textfiguren und Erzählweisen, von denen sich nicht alle, aber viele ebenfalls ähneln. Mit etwas mehr Zeit und Muße könnte ich hier einen ganzen Typenkatalog abfassen, beschränke mich jetzt aber mal auf den Typ „Lieder, die in der Strophe auf ein hyperoriginelles Reimwort zulaufen, das dann im Refrain wiederholt wird“: Wie froh war ich, als dieses eine schöne Lied am Ende des Programms tatsächlich nur schlicht von einem „langsamen Tanz“ handeln durfte, und nicht noch irgendwas kam wie „Chihuahua-Welpen auf Hochglanz“ oder so.
Engagier doch mal eine Begleitband!
Zum Schluss ein Vorschlag: Im Ankündiger zu deinem viel gelobten jüngsten Studioalbum „Geile Welt“ von 2014 schreibst du selbst, dass du hier auch „aus Spaß am Machen“ mal wieder mit Begleitmusikern zusammengearbeitet habest. Vielleicht wäre das auch mal was für Konzerte: mit Band auf die Bühne, weniger Sachen umso schöner ausarbeiten, weniger Fläche schaffen, dafür mehr Spitzen. Hier und da ein musikalisches Signal: „Das ist mir jetzt besonders wichtig!“
Vielleicht ist das aber auch der ganz falsche Vorschlag für jemanden, dessen gleichordnende Gerechtigkeit gegenüber den Dingen, von Liebe bis Lymphe, fast kosmisch ist. Vielleicht ist es auch so, wie eine der lieben Bekanntschaften, denen ich im Lido begegnete, sagte: „Es ist einfach schön, Leute zu treffen, die auch in Berlin leben und Funny mögen.“ Und dann singst da auch noch du selbst! Das ist schon sehr viel.
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