„Charlie Hebdo“-Zeichnerin Catherine Meurisse: Liebeserklärung an das Leben
In ihrem neuen Buch gibt die einstige „Charlie Hebdo“-Zeichnerin Catherine Meurisse humorvolle Einblicke in ihre Jugend. Dienstag kommt sie nach Deutschland.
Nach dem Anschlag war sie wie besessen von Schönheit. Die Natur, die Kultur – das waren für Catherine Meurisse die Gegenpole zum Chaos und zur Gewalt, die viele ihrer Freunde und Kollegen aus dem Leben gerissen hatte. So hat es die einstige „Charlie Hebdo“-Zeichnerin in Interviews erzählt und in ihrer von Lesern und Kritik gefeierten Comicerzählung „Die Leichtigkeit“ weiter ausgeführt.
Meurisses jüngstes autobiografisches Buch „Weites Land“ führt nun vor Augen, wie sehr die Liebe zur Natur als auch zur Kultur ihr Leben von Anfang an geprägt haben.
Das Paradies ist ein alter Bauernhof
Hauptfigur ist die Zeichnerin als junges Mädchen, das mit offenen Augen und ungebremster Neugier die Welt um sich herum entdeckt. Die ist dank ihrer Eltern, die nach der Geburt der Kinder einen alten Bauernhof zu ihrem privaten Paradies ausbauen, äußerst idyllisch.
Die kleine Catherine und ihre Schwester sinnieren angesichts neu geborener Tiere und des Wachstumszyklus von Pflanzen über Leben und Tod. Archäologische Entdeckungen werden zum Ausgangspunkt bemerkenswert erwachsener Gedanken zu Themen wie Vergänglichkeit.
Nebenbei werden die aufgeweckten Kinder von ihren kulturinteressierten Eltern an Proust und Zola sowie die Klassiker der bildenden Kunst herangeführt und bestreiten am Beispiel unterschiedlicher Gartenkonzepte philosophische Diskurse.
Tiefsinnige Dialoge mit dem Gartenzwerg
Dass die Erzählung trotz der stellenweise fast unwirklich scheinenden Idylle nicht in den Kitsch abgleitet, ist vor allem Meurisses Selbstironie zu verdanken, mit der sie sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit macht. Ihr junges Alter Ego und alle anderen Figuren beschreibt sie mit teils amüsierter Distanz, wozu auch fantastische Figuren wie ein zum Leben erweckter Gartenzwerg beitragen
Zudem entdeckt die junge Catherine nach und nach, dass das traditionelle Landidyll auch seine archaischen Schattenseiten hat, und das Idealbild ihrer Eltern mit der Entwicklung der Welt um sie herum nur bedingt korrespondiert.
Zu dieser Vielschichtigkeit passt der schon aus „Die Leichtigkeit“ vertraute Strich Meurisses, der unterschiedliche Stile vereint. Die Figuren sind im Funny-Stil cartoonartig überzeichnet, in klaren Linien und ohne Schattierung. Die realistisch gehaltenen Kulissen hingegen, in denen sie wie auf einer Theaterbühne agieren, stecken voller Details und Schattierungen, manche Pflanzenzeichnungen erinnern an die idealisierten Abbildungen in Naturenzyklopädien früherer Jahrhunderte.
Vom Anschlag kein Wort
Nebenbei erfährt man, wie die Zeichnerin ihre ersten künstlerischen Schritte bereits als Kind unternahm, angetrieben von der Faszination für die sie umgebende Natur – und wie sie durch einen Zufall zur Karikatur kam, der hier höchst unterhaltsam nachgezeichnet wird.
Der mörderische Angriff auf „Charlie Hebdo“, den Meurisse nur dank eines Zufalls überlebte, wird in diesem Buch kein einziges Mal erwähnt. Dennoch kommt man als Leser nicht umhin, „Weites Land“ als einen weiteren Schritt der Autorin zu sehen, nach dem Anschlag die Hoheit über ihr Leben und ihre Gefühle zurückzuerlangen: In diesem Fall mit einer Hommage an das Schöne, Gute, Lebendige.
Catherine Meurisse: Weites Land, Carlsen, 96 S., 18 €. In dieser Woche ist Catherine Meurisse zu Besuch in Deutschland und stellt ihr Buch bei zwei Podiumsveranstaltungen vor: Am 12. März um 19 Uhr im Institut Francais in Berlin und am 13. März um 19 Uhr bei den Graphic-Novel-Tagen im Literaturhaus Hamburg.
Lars von Törne
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