Junges Ensemble Berlin spielt Mahler: Leuchtend lebendig
Ein vielschichtiges Meisterwerk, gekonnt vorgetragen: Michael Riedel und das Junge Ensemble Berlin bezwingen in der Philharmonie Gustav Mahlers 2. Sinfonie.
Hier steckt also der Nachwuchs: Das Publikum, das Chor und Sinfonieorchester des Jungen Ensembles Berlin mitgebracht haben, senkt den gewöhnlichen Altersdurchschnitt in der ausverkauften Philharmonie um mehrere Jahrzehnte. Mit Mahlers 2. Sinfonie hat das Ensemble, das aus Schülern, Studenten und jungen Berufstätigen besteht, ein Werk eines der bei jungen Orchestern populärsten Komponisten aufs Programm gesetzt: Schließlich eröffnen seine Riesenbesetzungen maximale Mitwirkungsmöglichkeiten für alle Beteiligten und seine kraftvollen Klangentladungen erreichen auch diejenigen, die nicht auf klassische Musik fixiert sind.
Doch schon von Anfang an macht das Ensemble unter seinem Dirigenten Michael Riedel klar, dass es ein ernsthaftes und gewichtiges Wort zu diesem vielschichtigen Meisterwerk zu sagen hat. In allen Instrumentengruppen wird so souverän musiziert, dass Riedel die gewaltigen dynamischen Abstufungen vom zartesten vielfachen Pianissimo bis zum physisch erdrückenden Fortefortissimo fast mühelos zu durchmessen und die unterschiedlichsten Farbmischungen zum Leuchten zu bringen weiß.
Blitzsauberer, durchdringender Chorklang
So etwa, wenn er die auch in extremer Höhe warm und süß klingenden Streicher mit sonorem Hörnerklang unterfüttert oder die Holzbläser mit ausdrucksvollen Soli aus der Masse heraustreten lässt. Ernsthaftigkeit und nostalgischem tänzerischen Schwelgen gibt er in den Mittelsätzen den Vorzug vor dem Herausarbeiten von Mahlers Sarkasmus, was im Andante moderato besser funktioniert als in der doch ein wenig zu gemütlich walzenden „Fischpredigt“.
Mit höchster Konzentration sind „Urlicht“ und das komplexe Finale gestaltet. Neben der Sopranistin Carine Tinney begeistert Gerhild Romberger mit ihrem wunderbar tragenden, klar, ruhig und innig deklamierenden Alt. Wobei es sowohl dem durch das Consortium musicum verstärkten Chor als auch dem Orchester gelingt, nach diesem wie aus der Zeit gefallenen Moment die Spannung zu halten: Präzise gesetzte Fernorchesterwirkungen tragen dazu ebenso bei wie intensive Schlagzeugeinsätze und ein gerade auch bei A-cappella-Stellen offener, durchdringender, blitzsauberer und zu starken dynamischen Kontrasten fähiger Chorklang. Eine lange Stille nach dem Schlusston und ein intensiver Applaus sind der verdiente Lohn.
Carsten Niemann