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Martin Roth
© VAM/Thierry Bal

Martin Roth auf der Biennale von Venedig: Lernen von Aserbaidschan

Martin Roth, Ex-Direktor des Victoria & Albert Museum, kuratiert den Pavillon von Aserbaidschan auf der 57. Biennale - und lobt das Land als "Blueprint für Toleranz". Ernsthaft?

Seltsam sind die Wege der Aufrechten. Als Martin Roth im letzten Jahr Hals über Kopf sein nobles Amt als Direktor des Victoria & Albert Museums aufgab, fragten sich viele – warum? Roth, sehr geschätzt und erfolgreich in London, antwortete mit bitterer Klage über den Zustand Europas. Es war kurz nach dem Brexit-Schock. Feige Intellektuelle, hilfloser Kulturbetrieb, Populisten überall auf dem Vormarsch, und keiner sagt etwas. Roth wollte nicht mehr mitspielen. Ein Zeichen setzen. Manch einer sah in ihm ein widerständiges Vorbild. Roth, 1955 in Stuttgart geboren, ist ein Freund kräftiger Worte. Das in Gründung begriffene Humboldt-Forum in Berlin zum Beispiel findet er zu staatsnah ausgerichtet.

Nun ist er Präsident des ifa Instituts für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und mit dem Ehrenamt kaum ausgelastet. Was macht Martin Roth mit seiner Wut, mit seinem Wissen? Da kommt diese Nachricht aus Venedig: Martin Roth kuratiert für die 57. Biennale den Pavillon von Aserbaidschan. Die Ausstellung mit dem Künstler Elvin Nabizade, einem Georgier, und der Künstlergruppe Hypnotica steht unter dem Motto „Under One Sun. The Art of Living Together.“

Ein brutales System

Aserbaidschan also. Auf der Rangliste zur Pressefreiheit steht das Land auf Platz 163 (von 180). Der Clan von Präsident Aliyev regiert brutal, das System lebt von Korruption. Human Rights Watch beschreibt die Lage am Kaspischen Meer so: „Es gibt keine Meinungsfreiheit, es gibt keine Freiheit, sich irgendwie zu versammeln, zu demonstrieren. Jede Opposition wird ausgeschaltet. Journalisten verschwinden in Gefängnissen. Aktivisten werden jahrelang irgendwo festgehalten unter fadenscheinigen Gründen. Dieses Land ist eines der schlimmsten Menschenrechtsverbrecher, die es unter den Staaten in der internationalen Gemeinschaft gibt.“ Gern kauft sich der Diktator von Baku schöne Sportevents, Formel 1, Europaspiele. Beim Eurovision Song Contest präsentiert sich das Regime mit Glanz und Gloria. Berti Vogts war sechs Jahre Trainer der Fußballnationalmannschaft Aserbaidschans.

Kunst ist auch gut fürs Image. Kunst kann völlig neue Perspektiven eröffnen. Der Auftritt auf der Biennale di Venezia wird finanziert von der Heydar Aliyev Foundation Baku. Präsidentin ist Mehriban Aliyeva, Aserbaidschans First Lady. Martin Roth erklärt: „Aserbaidschan ist geradezu ein Blueprint für das tolerante Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen. Deshalb haben wir junge Künstler gebeten, sich mutig und offen diesem Thema zu stellen.“ Aserbaidschan. Blueprint für Toleranz. Hat er seinen Verstand in London gelassen?

Rüdiger Schaper

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