Regisseur George Lucas: Laserschwerter gegen Hollywood
"Star Wars" bricht schon wieder alle Rekorde. Eine Biografie zeigt, wie Schöpfer George Lucas die US-Filmindustrie revolutionierte.
Man sollte annehmen, dass „Star Wars: Die letzten Jedi“ alle Beteiligten gerade sehr glücklich macht. Disney ist erleichtert, weil sich das Franchise nach dem Kauf von Lucasfilm für vier Milliarden Dollar im Jahr 2012 zum 40. Jubiläum weiter als wahre Gelddruckmaschine erweist. In Deutschland strömten bereits geschätzte drei Millionen Zuschauer in die Kinos, weltweit dürfte der achte Film der Reihe bis zum Jahresende die Schallmauer von einer Milliarde Dollar Umsatz durchbrechen. Produzentin Kathleen Kennedy wird sich glücklich schätzen, weil nach ihrem holprigen Start mit dem „Star Wars“-Reboot nach öffentlichen Personaldiskussionen endlich Ruhe eingekehrt ist.
Selbst Mark Hamill hat inzwischen eingesehen, dass seine prominente Nebenrolle als Luke Skywalker das Beste ist, was den Sequels passieren konnte – auch wenn im Netz gerade eine Petition unverbesserlicher Altfans kursiert, die fordern, „Die letzten Jedi“ aus dem offiziellen Star-Wars-Zyklus zu streichen, weil der Film den Geist des Originals verrate.
George Lucas kritisiert Fortsetzung
Nur um George Lucas, den Schöpfer des Franchises, ist es in den letzten Wochen erstaunlich ruhig geblieben. Nach „Das Erwachen der Macht“ von 2015, mit dem Reboot-Spezialist JJ Abrams die dritte Trilogie einleitete, hatte der heute 73-Jährige beklagt, dass Disney seine Vorschläge für die Fortsetzung verworfen habe. Dass er Abrams gleichzeitig vorhielt, seinen Film zu sehr auf die Erwartungen der Fans zugeschnitten zu haben (ein berechtigter Vorwurf), entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Denn es war ja Lucas selbst, der das „Star Wars“-Universum bereits in den Siebzigern mit Blick auf die Vermarktbarkeit der einzelnen Figuren konzipiert hatte. So erzählte Harrison Ford einmal, dass Lucas für „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ einen ganzen Handlungsstrang umschrieb, weil seine Actionfigur Han Solo bei den Kids so beliebt war.
Die Anekdote findet in Brian Jay Jones’ „George Lucas: Die Biografie“ Erwähnung, der ersten vollständigen Biografie über den einflussreichen Kinopionier. Eine enorme Fleißarbeit, die ohne Autorisierung entstand. Ihr Hauptthema ist eine Eigenschaft von Lucas, die auch in seinen gekränkten Kommentaren anklang: Der Erfinder des generationenübergreifend einflussreichsten Popkultur-Phänomens konnte auch nach dem Verkauf nicht von seiner Schöpfung lassen.
Totale Kontrolle ging George Lucas stets über alles. Dieser Kampf für künstlerische und wirtschaftliche Unabhängigkeit ist letztlich auch ausschlaggebend für die Gründung eines Firmenimperiums gewesen, das die amerikanische Filmindustrie von Grund auf verändert hat.
Ein verkanntes Genie
Mehr noch als seine Freunde Francis Ford Coppola und Steven Spielberg, mehr auch als Martin Scorsese, Brian de Palma oder Peter Bogdanovich ist Lucas der Inbegriff von New Hollywood. Der Biograf Jones kommt zu dem Schluss, dass dem „Star Wars“-Schöpfer unter all seinen Zeitgenossen am wenigsten Respekt entgegengebracht wird – eben weil er am erfolgreichsten war. Ein Populist zwar, aber auch ein Auteur, der bei allen Arbeitsschritten seine Finger im Spiel hat. Und der seine technischen Werkzeuge notfalls auch selbst erfand. Der Regisseur Peter Jackson nannte Lucas einmal nicht zu Unrecht den „Thomas Edison der modernen Filmindustrie“.
Brian Jay Jones zeichnet die bescheidenen Anfänge des Allroundgenies nach, angefangen mit seiner Jugend in der staubigen kalifornischen Kleinstadt Modesto, wo später der bezaubernde Nostalgietrip „American Graffiti“ entstand. Rückblickend ein tragischer Wendepunkt in der Karriere von George Lucas, weil der Film dank des Erfolgs mit dem nächsten Werk, „Star Wars“, seine letzte wirklich persönliche Arbeit bleiben sollte.
Eigentlich war der junge Lucas wie alle jungen Wilden von New Hollywood ein Fan des europäischen Autorenfilms. Ein Einfluss, der sich schon in seinem Debüt „THX 1138“, basierend auf einem Kurzfilm als Regiestudent der University of Southern California, deutlich bemerkbar machte. Lucas schwebte ein US-amerikanisches Kino im Geiste von Godard und Antonioni vor, er bewunderte auch die Filme Akira Kurosawas. Als er in den achtziger Jahren bereits alles erreicht hatte, ermöglichte er seinem Idol ein spätes Comeback mit dem Historienepos „Kagemusha“, das er mit Coppola produzierte.
In der Kindheit hängengeblieben
Darin liegt vielleicht schon die ganze Tragik des Menschen George Lucas, der seinen europäischen Vorbildern nacheifern wollte, aber früh vom eigenen Erfolg überrumpelt wurde. Die scharfzüngige Kritikerin Pauline Kael warf ihm einmal die Verschwendung seiner Talente vor, Lucas hänge zu sehr am „Quatsch aus seiner Kindheit“. Die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit führte letztlich auch zum Zerwürfnis mit seiner ersten Ehefrau Marcia Griffin, die für Scorsese „Alice lebt nicht mehr hier“ und „Taxi Driver“ montierte, während Lucas an der Westküste mit den Drehbuchentwürfen für sein Weltraummärchen haderte.
Der notorisch introvertierte Lucas, so konstatiert Jones, konnte nicht so gut mit Menschen. Trotzdem nutzt er immer wieder seinen Einfluss, um junge Filmemacher zu fördern. 2012 produzierte er „Red Tails“ von Anthony Hemingway, einen Kriegsfilm über die erste afroamerikanische Fliegereinheit, die „Tuskegee Airmen“. Lucas, qua Autonomie ein Außenseiter in der Filmbranche, gehört zu den ersten weißen Produzenten, die die mangelnde Diversität in Hollywood kritisierten. Und er ist einer der wenigen, der den Studiobossen seine Bedingungen diktieren kann.
Ein Werk voller Widersprüche
Vielleicht ist es nur folgerichtig, dass George Lucas früh eigene Wege ging und mit der Effektschmiede „Industrial Light & Magic“ den Grundstein für das digitale Kino gelegt hat. Lucas arbeitete gewissermaßen an der Abschaffung realer Schauspieler – ein Witz, den Mark Hamill schon in den Siebzigern gemacht hatte. Dennoch bleibt das Bild von Lucas, der sich inzwischen aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hat, widersprüchlich. Er verschaffte sich Unabhängigkeit, um dann doch Kommerzfilme zu produzieren. Er kämpft für kulturelle Vielfalt, erfindet mit Jar Jar Binks aber eine auf rassistischen Stereotypen basierende Figur. Er hat, sagen seine Kritiker, das Erzählkino in einen Kindergarten verwandelt, kämpft seit Jahren aber für die Realisierung eines Museum of Narrative Art – als sein Vermächtnis.
Jones’ Argumentation ist schlüssig. Er porträtiert Lucas nicht als Autorenfilmer, sondern als Entrepreneur, der das Kino – die Produktionmittel, die Rezeption, die Technologie – nach seinen Vorstellungen gestaltet. Er hat die Filmgeschichte auf seine Weise geprägt. Heute überragt das Werk seinen Schöpfer.
Brian Jay Jones: George Lucas. Die Biografie. Edel Books, 477 S., 24,95 €