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Bevor der Krieg die Stadt verwüstete: Stadtbild von Aleppo mit der Zitadelle im Hintergrund.
© imago images / robertharding

Neuer Roman aus Syrien: Land in Trümmern

Ein düsteres Porträt der syrischen Gesellschaft: In „Keine Messer in den Küchen der Stadt“ erzählt der syrische Autor Khaled Khalifa von der Zeit vor den Kriegszerstörungen.

Aleppo war die heimliche Hauptstadt Syriens, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum, reich an architektonischem Erbe und eine der ältesten Städte der Welt. Doch nun liegt ein großer Teil der Stadt in Trümmern. 

Als der mörderische Krieg in Syrien die Stadt 2013 erreichte, schloss Khaled Khalifa seinen Roman „Keine Messer in den Küchen der Stadt“ gerade ab. Der Roman, der nun auf Deutsch erschienen ist, behandelt also die Zeit vor den Kriegszerstörungen.

Khalifas anonymer Ich-Erzähler reist nach Aleppo, um seine Mutter zu beerdigen. Er trifft hier seine Geschwister Saussan und Raschid sowie Onkel Nisar, den engen Vertrauten der Mutter. In Rückblenden wird diese Geschichte erzählt, von den siebziger Jahren ab, als sich Hafiz al Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten, als Offizier an die Macht geputscht hatte. 

Khalifas Bücher sind in Syrien verboten

Der Vater aus einem Dorf an der türkischen Grenze hatte die Mutter wegen einer 30 Jahre älteren Amerikanerin verlassen, einer „Trümmergräberin“. Er war ihr nach Amerika gefolgt, was die Position der Mutter als Lehrerin an der Schule schwächte. 

„Die Brutalität, von der mein Vater immer wieder gesprochen hatte, bevor er mit dieser Amerikanerin weglief, nahm sie erst wahr, als sie sich, alleingelassen mit ihren Kindern, selbst durchschlagen musste – in diesem von einer Partei beherrschten Land, die alle Freiheiten beschnitt.“

Khalifa, der noch immer in Damaskus wohnt, nennt keine Namen, spricht immer nur vom Präsidenten (dem alten Assad) und dessen Sohn. Auch die Partei heißt nur an einer einzigen Stelle Baath-Partei. 

Khalifas Bücher sind in Syrien verboten. In diesem Roman mäandert er nun durch die Lebensgeschichte dieser Familie und blickt anhand ihrer Mitglieder zurück auf die Geschichte der syrischen Gesellschaft.

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Die Mutter kehrt vom Dorf an der Grenze im Norden zurück nach Aleppo und findet in ihrem homosexuellen Bruder Nisar eine verständnisvolle Stütze. Die Liebe zur Musik und zu Paris verbindet Bruder und Schwester. Der Onkel gibt den Kindern Geigenunterricht, und die Mutter träumt von einer rosigen Zukunft. 

Doch es kommt anders. Saussan führt ein ausschweifendes Leben, tritt in die Partei ein, wird Mitglied bei den Fallschirmspringern, denunziert Mitschülerinnen. Aber das alles erfüllt sie nicht, und sie sucht ihr Glück im Glauben.

Auch Raschid gerät auf Abwege. Nach den Anschlägen vom 11. September radikalisiert er sich und kämpft als Islamist im Irak gegen die Amerikaner. Einzig Onkel Nisar behauptet sich in dieser zerfallenden Gesellschaft, die unter der Scheinheiligkeit und der Korruption des Regimes leidet.

Hoffnung auf bessere Zeiten gibt es nicht. Khalifas Roman ist ein durch und durch düsteres Porträt der syrischen Gesellschaft. 
[Khaled Khalifa: Keine Messer in den Küchen der Stadt. Roman. Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020. 288 Seiten, 22 €.]

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