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Nächste Umdrehung. Adolphe Binder kämpft um die Intendanz.
© Bauch/dpa

Rufmordkampagne gegen Adolphe Binder?: Kündigung der Wuppertaler Intendantin bleibt unwirksam

Adolphe Binder gewinnt in zweiter Instanz gegen das Tanztheater Wuppertal. Neue Informationen deuten auf eine Rufmordkampagne gegen die gekündigte Chefin.

Es war keine Überraschung. Adolphe Binder hat den Prozess gegen das weltberühmte Tanztheater Wuppertal auch in zweiter Instanz gewonnen. Das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf hat am Dienstag bestätigt, dass ihre Kündigung unwirksam ist. Der Richter Alexander Schneider hat keine der gegen Binder erhobenen Beschuldigungen als Kündigungsgrund anerkannt. Der Kulturmanagerin wurde in erster Linie vorgeworfen, keinen umsetzbaren Spielplan vorgelegt zu haben, auch ihr Führungsstil wurde kritisiert. Sogar von Mobbing war die Rede. Adolphe Binder ist nun vollständig rehabilitiert, so lässt sich das Urteil deuten. Grund zum Jubeln hat sie aber nicht. Denn bald beginnt ein neuer Akt des Wuppertaler Dramas, das wie ein Krimi und wie eine Provinzposse anmutet.

Das Urteil ist eine herbe Niederlage für das Tanztheater. Zehn Jahre nach dem Tod seiner Gründerin und Prinzipalin Pina Bausch sucht es immer noch nach einer neuen Leitungsstruktur für die Zukunft. Das Gericht hat aber nur ein Teilurteil gesprochen – geklärt wurde dadurch nichts. Erst in einer nächsten Verhandlung, voraussichtlich im Januar 2020, wird es darüber entscheiden, ob Adolphe Binder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren darf. Dass sie das will, hat sie bei der Verhandlung nochmals deutlich gemacht. Allerdings wurde mit Bettina Wagner-Bergelt im vergangenen November eine neue Intendantin engagiert.

Und auch einen neuen Geschäftsführer gibt es: Roger Christmann folgt auf Dirk Hesse, der im Juli 2018 die Kündigung Binders forciert hat und mittlerweile ausgeschieden ist. Das neue Führungsduo war kurz vor Binders erstem Prozess vor dem Arbeitsgericht Wuppertal von Stadtdirektor Johannes Slawig installiert worden, um Tatsachen zu schaffen. Denn eine Rückkehr von Binder sollte unbedingt verhindert werden. Der Richter hat die Parteien aufgefordert, ein mögliches arbeitsteiliges Modell der Zusammenarbeit auszuhandeln oder sich auf eine gütliche Trennung zu einigen.

Der Fall könnte der Politik auf die Füße fallen

Binder hat in einem Interview mit der „WDR Lokalzeit“ am 20. August Dialogbereitschaft signalisiert. Das Presseamt der Stadt Wuppertal erklärte nach der Verhandlung in einer Stellungnahme, man werde „gemeinsam mit der künstlerischen und kaufmännischen Leitung des Tanztheaters prüfen, welche Handlungsoptionen möglich sind, um weiteren Schaden vom Tanztheater abzuwenden.“ Der neue Geschäftsführer Christmann aber sieht eine Weiterbeschäftigung Binders kritisch. Er halte sie „charakterlich nicht für geeignet“, erklärte er, so berichten Prozessbeobachter. Ein anmaßendes Urteil, schließlich hat er nie persönlich mit Binder zu tun gehabt. Die Voraussetzungen für eine konstruktive Lösung sind also denkbar schlecht.

Der Fall Binder fällt nun auch den Wuppertaler Politikern auf die Füße. Neue Informationen legen den Schluss nahe, dass die Rufmordkampagne gegen Binder von ganz oben lanciert wurde. Schon Tage vor der fristlosen Entlassung Binders im Juli hatten ausgewählte Zeitungen über die Vorwürfe berichtet, die von der Leitung des Tanztheaters gegen sie erhoben wurden. Damals wurde spekuliert, wer der Informant ist, der die Medien über die Vorwürfe gegen Binder ins Bild gesetzt hatte. Die Journalistin Nicole Bolz, die damals für die Wuppertaler Rundschau schrieb, outete dann den PR-Manager Ulrich Bieger als ihren Informanten. Bieger arbeitete damals für die Stadt Wuppertal als PR-Berater für das geplante Pina-Bausch-Zentrum. Ihr sei es um Aufklärung gegangen, rechtfertigt sich Bolz.

Es gab eine Vernebelungsaktion

Was die Geschichte noch irrer erscheinen lässt: Zwei Monate nach Binders Rauswurf erstattete das Tanztheater bei der Wuppertaler Polizei Anzeige gegen unbekannt – wegen des Verrats von Geschäftsgeheimnissen. Was man heute als Vernebelungsaktion deuten muss. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile die Ermittlungen gegen Bieger eingestellt. „Die vermittelten Informationen stellen keinen Geheimnisverrat dar“, erklärte ihr Sprecher. „Denn es sieht aus, als sei dies mit Billigung der Geschäftsleitung geschehen.“

Bieger selbst erklärte in der „WDR Lokalzeit Bergisches Land“ vom 14. August, dass er die Interna im Auftrag einer kleinen Runde von Entscheidern aus dem Kulturbetrieb an die Presse weitergegeben habe. Auf Nachfrage der Reporterin bestätigte er, dass auch Stadtkämmerer Johannes Slawig und Kulturdezernent Matthias Nocke dazugehörten.

An diesen Treffen haben auch Dirk Hesse, der Geschäftsführer des Tanztheaters Wuppertal, der TTW-Prokurist Christoph Fries, die Mediatorin sowie der Vorstandsvorsitzende der Bausch Foundation, Salomon Bausch teilgenommen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ und beruft sich dabei auf Bieger. Eine Anfrage des Tagesspiegels hat der PR-Berater, der mittlerweile in Berlin lebt und arbeitet, nicht beantwortet.

Insider beklagen schon länger den Wuppertaler Klüngel

Die jüngsten Enthüllungen haben nun auch den Wuppertaler Oberbürgermeister Andreas Mucke aufgeschreckt. Er hat sich mit einem Statement aus dem Urlaub gemeldet und kündigt die Aufklärung der Vorgänge in der Spitze des Wuppertaler Tanztheaters an. Die Linke fordert personelle Konsequenzen. Doch wer ist unbefangen und objektiv genug, um die Verstrickungen der Stadt-Oberen aufzuklären? Insider beklagen schon länger den Wuppertaler Klüngel.

Pina Bausch hat sich in den mehr als drei Jahrzehnten, in denen sie das Tanztheater Wuppertal geleitet hat, auch mit der Stadt angelegt. Sie hatte die Autorität dafür. Nun droht das legendäre Ensemble zum Spielball der Politik zu verkommen, zumal die Stadt jetzt alleinige Gesellschafterin des Tanztheaters ist. Die Stadt trägt auch die Schuld an der komplizierten Gemengelage, die nun entstanden ist. Eine Ménage-à-trois will sich hier keiner vorstellen. Die Krise des Wuppertaler Tanztheaters ist noch nicht beendet.

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