„Unerschrocken“ von Pénélope Bagieu: Kriegerinnen, Forscherinnen, Kaiserinnen
Pénélope Bagieu („California Dreamin“) porträtiert in „Unerschrocken“ 15 außergewöhnliche Frauen, die von der Geschichte vergessen wurden - ein überaus kurzweiliger Augenöffner.
Wer kann fünf große Entdecker aufzählen – und zwar weibliche? Man kann die Frage wahlweise auch für Politikerinnen, Erfinderinnen oder Medizinerinnen stellen – die Antworten werden meist spärlich ausfallen. Frauen werden gerne von der Geschichtsschreibung übergangen, egal, was sie geleistet haben. Dies zu korrigieren ist das Ziel von Pénélope Bagieus Comic „Unerschrocken“: In 15 Kurz-Porträts stellt die französische Zeichnerin, die durch ihren Comic-Blog „Ma vie est tout à fait fascinante“ bekannt wurde, außergewöhnliche und mutige Frauen von der Antike bis in die Gegenwart vor, die heute fast vergessen sind.
Auf dem Einbaum durch Afrika
Um gleich bei der Eingangsfrage mit den Entdeckerinnen zu bleiben: Eines von Bagieus Porträts ist der US-amerikanischen Afrikaforscherin Delia Akeley (1857 - 1970) gewidmet, die als Assistentin des Naturforschers Carl Ethan Akeley begann, ihn später auf seinen Expeditionen begleitete und ihm dabei mehrmals das Leben rettete. Nach der Scheidung von ihrem Mann beschloss sie, einfach weiterzumachen – sie kannte sich ja in Afrika aus. So durchquerte Akeley als einer der ersten Menschen der westlichen Welt die Wüste zwischen Kenia und Äthiopien, und entdeckte dabei den Fluss Tana, den sie mit einem Einbaum befuhr. Akeley führte zudem ethnologische Studien über die zurückgezogenen Pygmäen durch, mit denen sie einige Monate zusammenlebte.
„Na schön“, mögen nun manche sagen, „es gab also eine Entdeckerin, aber das ist wohl die Ausnahme von der Regel“. Wirklich? Und was ist mit der Abenteurerin Lady Hester Stanhope, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts fast drei Jahrzehnte als „Königin der Wüste“ in einem ehemaligen Kloster im Libanon residierte? Oder mit der Reiseschriftstellerin Alexandra David-Néel, die die tibetische Kultur erforschte? Oder mit der Schweizerin Isabelle Eberhardt, die als Mann verkleidet allein die Sahara durchquerte? Oder mit der Ethnologin Mary Kingsley, die Westafrika bereiste? Oder mit Ida Pfeiffer, die im 19. Jahrhundert über 32000 Kilometer auf vier Kontinenten zurücklegte und als erste Frau die Welt umrundete?
Vergessen, aber leicht wiederzuentdecken
Man(n) sieht: Es gibt all diese Frauen, man muss nur hinschauen. Bagieus Comic ist dafür die perfekte Starthilfe, denn genau solche Biographien finden sich in „Unerschrocken“ zuhauf: Zum Beispiel erfahren wir von der griechischen Gynäkologin Agnodike, dank der das Berufsverbot für weibliche Geburtshelferinnen aufgehoben wurde, oder von der ersten (und einzigen) chinesischen Kaiserin Wu Zeitan, die mit der Korruption im Land aufräumte, oder der Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee, die die Bewegung „Women of Liberia Mass Action for Peace“ ins Leben rief, um gegen die gewalttätigen Übergriffe innerhalb des liberianischen Bürgerkriegs zu protestieren. Trotz der manchmal heftigen und tragischen Schicksale ihrer Porträtierten bringt Bagieu deren Geschichten mit leichtem Strich und viel Humor zu Papier.
Kämpfen, Herrschen, Pferdestehlen
Auch die Lebensläufe bekannterer Frauen wie die der Tänzerin und Aktivistin Josephine Baker, der Schauspielerin Margaret Hamilton (die böse Hexe aus „Der Zauberer von Oz“) oder der Mumin-Erfinderin Tove Jansson werden kurzweilig und mit vielen Anekdoten erzählt, und offenbaren dabei immer wieder überraschende Details. Zu den spannendsten Biografien gehören aber die porträtierten Frauen aus anderen Kulturkreisen, von denen man im Westen kaum etwas weiß. So kennt zwar jeder Pocahontas, aber wohl nur die Wenigsten Lozen, eine Kriegerin und Schamanin der Apachen, die ihren Stammesbrüdern in Sachen Pferdestehlen und Lassowerfen weit überlegen war, und viele Jahre gegen die US-Armee kämpfte.
Oder haben sie schon mal etwas von Königin Nzinga gehört, die im 17. Jahrhundert die afrikanischen Königreiche Ndongo und Matamba beherrschte und jahrelang den portugiesischen Invasoren erfolgreich Widerstand leistete? Bereits mit 16 Jahren verhandelte sie mit den Portugiesen, erklärte sich kurze Zeit später offiziell zum Mann und bekundete, dass sie nie heiraten werden. Nzinga herrschte über 40 Jahre, in denen sie immer wieder an vorderster Front gegen die Kolonisatoren kämpfte – eine afrikanische Königin Elisabeth I.
Wo bleiben die Drehbücher?
Auf Französisch liegt seit kurzem bereits ein zweiter Band von „Unerschrocken“ vor, denn das Thema ist längst nicht erschöpft. „Ich hatte überhaupt keine Schwierigkeiten, solche Heldinnen zu finden, nur leider sind sie selten das Thema eines Films oder einer Biografie“, sagt Bagieu. Ihr Comic zeigt: Das Leben jeder einzelnen dieser Frauen liefert genug Stoff für all die Hollywood-Filme, die bislang nie über sie gedreht worden sind – gegen diese (realen) Heldinnen sieht Wonder Woman blass aus.
Pénélope Bagieu: Unerschrocken, Reprodukt, 144 Seiten, farbig, aus dem Französischen von Heike Drescher und Claudia Sandberg, Handlettering von Olav Korth, 24 Euro
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