Erstes Hauptstadtkulturgespräch: Kreuz, Wippe, Masterplan
Hermann Parzinger, Paul Spies und Klaus Lederer diskutierten mit Klaus Wowereit über Baustellen und Hauptstadtkultur.
Ist Klaus Lederer, unser Senator für Kultur und Europa von der Linken, eigentlich noch traurig über den Abriss des Palastes der Republik? Wer so eine Frage stellt, kann nur ein hinterlistiger Gesell sein. Oder Sozialdemokrat. Oder beides. Sie kommt vom Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit, der in behaglicher Laune als Moderator des „Ersten Hauptstadtkulturgesprächs“ auftritt, zu dem der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) geladen hat.
Wowereit ist dort Präsidiumsmitglied, Lederer sitzt auf dem Podium neben Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sowie Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums und Chef-Kurator des Landes Berlin im Humboldtforum. Die Veranstaltung trägt den Untertitel „Welt.Stadt.Berlin – Wechselwirkungen zwischen einer nationalen Kulturinstitution und der Stadt“, was sich ein historisch wie marketingtechnisch gleichermaßen geschulter Geist ausgedacht haben muss.
Es geht, man ahnt es schon, um Berlins zweitliebste Baustelle, das Schloss und sein künftiges Innenleben. Und nein, Lederer weint dem Palast nicht nach. Obwohl er die durchaus berechtigte Feststellung trifft, dass mit dem Abriss damals die Debatte darüber verpasst wurde, wie die neue Mitte der Stadt aussehen könnte und sollte. Nun also nimmt ein Schloss Gestalt an, dessen Fassade auf dem Podium an diesem Abend wahlweise mit einem Hotel oder einem Parkhaus verglichen wird. Aber interessanter ist natürlich, was reinkommt. Das Land Berlin darf ja 4000 Quadratmeter bespielen, die ihm der Bund zur Verfügung stellt – allein, womit? Wowereit an Spies: „Demnächst soll ja ein Masterplan kommen“. Spies, dieser ruhige, grundsympathische Holländer, schaut irritiert und entgegnet: „Der war vor einem Jahr fertig“. Ach so. Klar. Besser könnte kein Kabarett die anhaltende Verwirrung ums Humboldt-Forum auf den Punkt bringen.
Lederer fordert „transnationales Denken“
Parzinger nutzt den Anlass, um an die unglückselige Mischung aus Erwartungsüberfrachtung und „Weltbeglückungsfantasie“ zu erinnern, mit der das ganze Projekt schon startete, und betont: „Das Humboldt-Forum muss ein Prozess sein“. Spies nennt es „einen Katalysator von Weltbürgerschaft“. Lederer fordert „transnationales Denken“ und die Besinnung auf die Frage: „Wie kann man zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Ausstellung machen?“ Kurzum: es zeigt sich – wie unlängst auch auf dem 9. Kultpolitischen Bundeskongress in Berlin –, dass die Kulturmanager und Kulturvermittler sich mit Todesmut in die Wogen der Gegenwart und näheren Zukunft zu stürzen bereit sind. Dass sie die Globalisierung, die postkolonialen Diskurse und nicht zuletzt den Zwiespalt zwischen dem Bedeutungsverlust der Nationalstaaten und den erstarkenden nationalistischen Tendenzen verinnerlicht haben. Aber dass letztlich niemand weiß, was daraus konkret folgen soll. Immerhin bringt Parzinger auf den Punkt, was er nicht will im Humboldt-Forum, das ja auch für Veranstaltungen genutzt werden wird: nämlich ein Programm, das sich mit dem des HKW doppelt. Oder dem des HAU. Oder des Gorki-Theaters. Denn die „befassen sich ja auch mit globalen Themen“. Wohl wahr.
Parzinger stellt klar, dass das Kreuz kommt
Um doch noch ein bisschen Feuer in dieses „Erste Hauptstadtkulturgespräch“ zu bringen, spielt Wowereit die Kreuz-Karte. Darf das christliche Symbol die Kuppel schmücken? Werden wir in Berlin gerade Zeuge eines religiös befeuerten Kulturkampfes? Lederer bleibt auch hier agnostisch gelassen. Der Mann scheint sich überhaupt zunehmend wohlzufühlen in seinem Amt, das er vom Dankbarkeitsgrad her mit dem des „Ölministers von Katar“ vergleicht. Nicht schlecht gewählt. Jedenfalls, soviel lässt der Kultursenator durchblicken, ist er kein unbedingter Fan von Kreuzen, vor allem nicht auf dem Dach von einem „Profan-Bau“. Aber gut, anderswo zieren „barbusige Frauen die Fassaden“. So ist das eben mit historischen Altlasten, auch wenn es rekonstruierte sind. Außerdem stellt Parzinger klar, dass am Kreuz nicht mehr zu rütteln ist: „Es gibt keine Absicht, die Pläne zu verändern“. Das wäre also auch geklärt.
Am Schluss geht es um die Einheitswippe
In einer letzten Volte bringt Wowereit noch das umstrittene Einheitsdenkmal aufs Tapet. Eine besorgte Kauffrau oder Industrielle im Publikum meldet sich und bekennt mit bebender Stimme: „Wenn ich Bilder von dieser Wippe sehe, wird mir übel“. Das schreit geradezu nach einer vertiefenden Diskussion. Wir freuen uns schon auf das nächste „Hauptstadtkulturgespräch“. Es könnte den Titel tragen: „Einheits.Brei.Berlin – Wechselwirkungen zwischen einer Wippe und den darauf laufenden Bürgerinnen und Bürgern“.
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