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Bilder von Willi Baumeister: Körper ohne Gewicht

Der Kunsthandel Wolfgang Werner in Charlottenburg zeigt Bilder von Willi Baumeister aus den dreißiger Jahren.

„Leinwandschinder“, das waren die anderen. Jene Künstler, die sich dem Pöbel beugen, schrieb Willi Baumeister im April 1934 an den Kollegen Julius Bissier. Seine Professur an der heutigen Städelschule in Frankfurt hatte er da schon verloren, drei Jahre später wurde sein Werk in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert. Dennoch fühlte sich Baumeister „tageweise in bester Stimmung“ – auch wenn die wirtschaftliche Situation schwierig und der Maler gezwungen war, an öffentlichen Wettbewerben teilzunehmen. Seine Strategie: modern und ungegenständlich bleiben, Athletenfiguren zu sportlich verfremdeten Kompositionen verarbeiten. „Auf diese Weise brauchte ich keine sogenannten Konzessionen zu machen.“ Gewinnen konnte er damit allerdings auch nicht.

Die große Schau über den Meister der Nachkriegszeit im Berliner Kupferstichkabinett ist gerade zuende gegangen. Sie zog eine Linie von Baumeisters frühen Stuttgarter Zeit bis zu seinem Tod Mitte der fünfziger Jahre, um Kontinuitäten im zeichnerischen Werk sichtbar zu machen. Es ging um die Oszillation zwischen abstrakter und figurativer Bildsprache, die sich in Baumeisters Bildern gegenseitig bedingen. Im Kunsthandel Wolfgang Werner wird dieses Experiment nun klug ergänzt. „Gemälde der 30er Jahre: Sportbilder, Figuren malerisch, Formen, Ideogramme und Zeichen“ heißt die aktuelle Schau, deren Titel eine ähnliche Fülle von Beispielen wie am Kulturforum nahelegt. Tatsächlich konzentriert sie sich auf ein gutes Dutzend Gemälde (Preise auf Anfrage), die jedoch alles enthalten, was die etwas umständliche Ankündigung verspricht: Bilder wie „Tennis“ (1931) oder „Ballspieler im Kreis“ (1935) sind jedes für sich zeichenhafte Malerei.

Forschung zu Mythen und Urformen der Malerei

Dass sich Baumeisters Werk zu Beginn der dreißiger Jahre grundlegend wandelt, ist Werners These. Bis dahin ist der Maler dem Konstruktiven verpflichtet. Schon die reliefartigen „Mauerbilder“ aus dieser Phase, für die er Sand, Sperrholz und Pappmaché verwendet, fielen auf: Bis nach Paris reichte sein Ruf, Baumeister stand in Kontakt mit Künstlern und Architekten wie Le Corbusier. Auch nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten stellte er in Frankreich und Großbritannien aus, seine Freundschaften zu Fernand Léger, Hans Arp, George Braque oder Wassily Kandinsky halten sich über jene Dekade, in der man ihn aus den deutschen Museen entfernt und verfemt.

Doch Baumeisters Weltbild schwankt. Dem technoiden, vom Fortschritt geprägten Glauben an die Zukunft, wie ihn die zwanziger Jahre kultivierten, kann er nichts mehr abgewinnen. Wohl auch aufgrund der politischen Entwicklungen richtet sich sein Blick in die ferne Vergangenheit: Der Künstler forscht zu Mythen, lässt sich von prähistorischer Kunst und außereuropäischen Kulturen faszinieren und sucht nach den Urformen der Malerei. „Die moderne abstrakte Kunst ist archaisch“, notiert er 1933.

Ein Bezug zu seinen eigenen Arbeiten liegt auf der Hand. Allein ihre Farbtöne, die Verwendung von Schwarz, Ocker oder Braun rückt die Motive in die Nähe früher Höhlenmalerei. Seine Figuren, die eher amorphen Gebilden ähneln und sich dank assoziativer Verknüpfung zu bewegten Läufern, Fußball- oder Tennisspielern fügen, wirken schemenhaft und flach.

Seine Motive scheinen haptisch

Häufig verwendet der Künstler Sand, der sich unter den Erdfarben zu schrundigen Stellen verdichtet und Gestein nahelegt. Davor schweben Baumeisters Kompositionen, die er selbst vom russischen Avantgardisten Kasimir Malewitsch beeinflusst sieht: Mit ihm war er 1927 zusammen in der „Grossen Berliner Kunstaustellung“ vertreten. Doch auch wenn Baumeister versucht, seine Sujets ähnlich gegenstandlos zu gestalten, formieren sie sich wie in „Figur in Bewegung“ (1936/37) zu lesbaren Gestalten. „Ich hatte sie ursprünglich völlig abstrakt gemeint, habe aber im weiteren Verlauf Figuren hineingesehen, natürlich frontal“, resümiert der Künstler 1967.

Seine Motive scheinen haptisch und entziehen sich zugleich dem Zugriff, weil oft nicht mehr zu sehen ist als Umrisse. Gleichzeitig symbolisieren sie Bewegung, vor allem aber Simultanität. Die Gleichzeitigkeit verschiedener Bewegungen formiert sich in den fluiden Körpern ohne jede Schwerkraft. Verblüffend, wie die Sportler, Baumeisters wabernde Formen und schließlich auch seine immer mehr ins Abstrakte driftende Bilder wie „Senkrechte mit Wimpelform“ von 1938 das historische Material in die Gegenwart wenden. Wie sie aus dem Archaischen unmittelbare Zeitgenossenschaft schälen. Die Zeichen verdichten sich derart, dass man glaubt, mit Baumeister einen frühen Gestalter heutiger Icons vor sich zu haben. „Der Maler muß die kürzeste, die einfachste Ausdrucksform für die Wesenheiten des Menschen finden“, schrieb der Künstler. Dem eigenen Anspruch ist er nichts schuldig geblieben.

Kunsthandel Wolfgang Werner, Fasanenstr. 72; bis 2. 6., Di–Fr 10–18 Uhr, Sa 11–15 Uhr

Christiane Meixner

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