Private Fotos im Museum der Dinge: Kopflos in den Feierabend
Rauschende Familienfeste und Mittagessen mit Hakenkreuz: Das Berliner Museum der Dinge zeigt private Fotoalben als Zeitdokumente.
Das war ein toller Tag am Strand. Eine traumhafte Hochzeit. Der schönste Tag im Leben. Wie halten Familie ihre Geschichte fest? Wie geben sie ihre Erinnerungen an nachfolgende Generationen weiter? Seit der Erfindung der Fotografie und vor der digitalen Revolution waren Fotoalben das Mittel der Wahl. Mit Bildern von Geburtstagen und Urlauben, Porträts und Schnappschüssen dokumentierten Fotoalben, was in der Familie wichtig war, worauf deren Mitglieder stolz und worüber sie glücklich waren.
Die Ausstellung „Foto Album“ im Berliner Museum der Dinge zeigt, wie die privaten Bilderzählungen deutscher Familien im 20. Jahrhundert aussehen. Die Fotos, meist von anonymen Knipsern, stammen aus dem Archiv des Museums. Auch ein Nachlasskonvolut der Berliner Artistenfamilie Berg gehört dazu.
Die Ausstellung ist wie ein großes Fotoalbum konzipiert, das Einblicke in familiäre und andere intime Momente gewährt. Gleichzeitig erfährt man auch viel über die Zeit, in der die Aufnahmen entstanden sind. In den persönlichen Erlebnissen Einzelner spiegelt sich auch die allgemeine Geschichte vergangener Jahrzehnte.
Vertraute Szenerien
Zu sehen sind beispielsweise Fotos, die das Leben im Nationalsozialismus zeigen. Eine Familie sitzt am Mittagstisch beisammen, während im Hintergrund ein Hakenkreuz zu sehen ist. Ähnlich beiläufig rückt auf späteren Motiven die Berliner Mauer ins Bild. Auf bunten und schwarz-weißen Fotos wird deutsche Geschichte im Prisma des Persönlichen abgebildet.
Mit zunehmender Zeit lösen sich die Bilder immer mehr von ihrem privaten Erinnerungscharakter. Sie werden zu historischen Dokumenten.
Betrachter aus nachfolgenden Generationen erfahren durch die privaten Aufnahmen, wie die Menschen früher aussahen, wie sie ihre Freizeit verbrachten, welche politischen Überzeugungen und Alltagsgewohnheiten sie hatten und was ihren Lebensstil ausmachte. Beim Betrachten der Alben können Ausstellungsbesucher zudem darüber nachdenken, wer der abgebildete Mensch war, wie sein Leben verlief. Man sieht ein Lachen, das Umarmen einer geliebten Person oder irgendeine lustige Pose, die jemand einnimmt. Auch wenn man die Personen auf den Bildern nicht kennt, kommt doch eine emotionale Nähe auf, weil man in den Motiven das eigene Leben und eigene Erinnerungen wiedererkennt. Ein Foto zeigt beispielsweise ein heiteres Familienfest, das wegen der heute unmodern Anzüge der Gäste ein wenig komisch aussieht. Dennoch wirkt es wie eine vertraute Szenerie.
Reise in die Vergangenheit
Das digitale Zeitalter hat das Medium der Fotografie für alle zugänglich und jederzeit greifbar gemacht. Früher war das anders: Der Inhalt des Fotoalbums hatte emotionalen Wert, zu der nur bestimmte Menschen Zugang hatte. Familien oder Freunde konnten durch das Fotoalbum blätternd in Erinnerungen schwelgen, in die Vergangenheit reisen.
Das digitale Foto bildet ebenfalls unzählige Situationen ab, die über das Alltagsleben der Menschen heute Auskunft geben. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Fotos jetzt zu einer öffentlichen Sache geworden sind. Sie werden in den sozialen Medien geteilt und sind für viele andere Menschen zugänglich, zu denen man nicht unbedingt ein enges Verhältnis haben muss.
Illusion der Ewigkeit
Die Ausstellung „Foto/Album“ scheint genau diesen Unterschied herausarbeiten zu wollen. Sie stellt die Frage, inwiefern die Vervielfältigung und die Zugänglichkeit von Fotos den Moment der Aufnahme und die spätere Begegnungen mit dem Foto entmystifiziert haben.
Eine Gemeinsamkeit der intimen, analogen und der digitalen, öffentlichen Fotografie ist das Bedürfnis der Menschen, Momente ihres Lebens festzuhalten. So gibt die Ausstellung im Museum der Dinge auch einen Anstoß, über die Vergänglichkeit nachzudenken. Vielleicht ist das Foto eine Illusion der Ewigkeit, aber dennoch eine Illusion, die den Menschen auch nach dem Tod auf gewisse Weise anwesend erscheinen lässt.
Museum der Dinge, Oranienstr. 25, Kreuzberg, bis 26.2., Mo, Do–So 12–19 Uhr. Djordje Krajišnik von der Zeitung „Oslobodjenje“ aus Sarajewo nimmt am Austauschprogramm „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts teil.
Djordje Krajišnik