Berliner Museum der Dinge würdigt Werkbund: Made in Germany
Mit einer großen Ausstellung in Köln wollte der Deutsche Werkbund 1914 seine Erfolge feiern. Doch dann begann der Erste Weltkrieg, und die Schau wurde geschlossen. Geschichte geschrieben hat sie trotzdem. Das Berliner Museum der Dinge erinnert jetzt an die epochale Ausstellung und ihre Glanzstücke.
„Made in Germany“ war einmal, man mag es kaum glauben, ein Kennzeichen für besonders billige, qualitativ schlechte Produkte. Eingeführt wurde es 1887 von den britischen Gesetzgebern mit dem „Merchandise Marks Act“, weil deutsche Waren damals den insularen Markt überschwemmten. Die Aufschrift war als abschreckend gedacht, verkehrte sich aber bald ins Gegenteil. „Made in Germany“ wurde zum Qualitätszeichen. Erheblichen Anteil an dieser Aufwertung hatte der Deutsche Werkbund, der 1907 als „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“ gegründet wurde. Der Werkbund setzte sich für eine moderne, industrielle Gestaltung ein und war dabei durchaus auch von patriotischen Motiven getrieben. Die „gute Form“ sollte die „deutsche Form“, der „deutsche Stil“ sein.
Das Kreuzberger Museum der Dinge erinnert nun mit seiner sehenswerten, motivisch weit ausgreifenden Ausstellung „Made in Germany – Politik mit Dingen“ an die Gründerjahre dieser einflussreichen Vereinigung und an die legendäre Kölner Werkbund-Ausstellung von 1914. Was da vor hundert Jahren stattfand, war eine Art ästhetische Mobilmachung. Es ging gegen die Ornamente von Historismus und Jugendstil, gegen den Muff des Wilhelminismus und gegen das Handwerk und die Einzelproduktion. Die Parolen lauteten „Sachlichkeit“, „Zweckmäßigkeit“ – ein paar Jahre später würden die Bauhauskünstler dem Funktionalismus huldigen – und „Standardisierung“.
Peter Behrens forderte, sich nur an die äußere Zweckform zu halten
Der Architekt Peter Behrens, der als Chefdesigner für die AEG arbeitete, schlug vor, „dass man den Fabrikanten als Rezept vorschreibt, sich nur an die äußere Zweckform zu halten“. Vorbildlich wird diese Forderung von den Massenprodukten verwirklicht, die in einer Wandinstallation der Ausstellung versammelt sind. Kaffee-Hag-Emailledosen, Metallkannen und Schreibmaschinen der Marke Mignon stehen da in Reih und Glied – und darunter ein Maschinengewehr vom Typ MG 08/15. Keine Frage, der Erste Weltkrieg wurde auf eine industrielle, höchst sachliche Art geführt. So erfüllten sich die Visionen des Werkbundes von einer rationellen Serienfertigung in den Munitionsfabriken und Waffenschmieden von Hoesch und Krupp.
Zynisch formuliert erwies sich der Krieg als Agent des Fortschritts. Für den Werkbund war er aber erst einmal eine Katastrophe. Denn die im Mai 1914 eröffnete, bis Ende Oktober geplante Leistungsschau, mit der der Verband in Köln die Erfolge seiner Anfangsjahre feiern wollte, musste gleich nach Kriegsbeginn Anfang August abgebrochen werden. Auf dem Deutzer Rheinufer waren dafür auf einem 350 000 Quadratmeter großen Gelände mehr als 50 Gebäude errichtet worden, darunter eine Musterfabrik von Walter Gropius, die Festhalle von Peter Behrens und ein Theater von Henry van de Velde. Das hatte fünf Millionen Reichsmark verschlungen. Auch die Eintrittsgelder von einer Million Besuchern, die bis zum vorzeitigen Ende in die Ausstellung strömten, bewahrten die Veranstalter nicht vor dem finanziellen Desaster.
Bruno Taut hat mit seinem Glashaus Geschichte geschrieben
Geschichte geschrieben hat die Schau trotzdem. In die Architekturlexika geschafft hat es das Glashaus, das Bruno Taut am Rande des Geländes verwirklichte, gleich neben einem Rummelplatz. Rummelplatzig und sensationsheischend waren den Juroren die Entwürfe des Berliner Architekten vorgekommen, deshalb verweigerten sie ihre Unterstützung. Taut musste den Bau größtenteils selbst finanzieren. Mit dem ausschließlich aus Glas, Beton und Eisen errichteten Pavillon wollte er „ein Gewand für die Seele“ erschaffen, eine Architektur „aus Licht, Klang und Farbe“.
Im Inneren des Gebäudes, unter der wie eine Spargelspitze aufragenden Glaskuppel, rauschte ein künstlicher Wasserfall, und Beleuchtung und Atmosphäre wechselten je nach Tageszeit und Wetterlage. Dank eines Modells im Maßstab 1:20 und endoskopischer Filmaufnahmen aus seinem Inneren bekommt man in der Berliner Ausstellung einen hervorragenden Eindruck von dieser Stimmungsarchitektur. Der Pavillon stand nach der Schau leer und wurde Anfang der zwanziger Jahre abgerissen.
Granatenförmige Zuckerdosen und Hindenburg-Ostereier
Bruno Taut wollte mit seinem Glaspalast kosmische Visionen formulieren, und dem Schriftsteller Paul Scheerbart, der Sinnsprüche für die Fassade lieferte, schwebte ein irdisches Paradies vor: „Die Erdoberfläche würde sich verändern, wenn die Backsteinarchitektur von der Glasarchitektur verdrängt würde. Es wäre so, als umkleidete sich die Erde mit einem Brillanten- und Emailleschmuck.“ Expressionisten wie Taut und Scheerbart blieben mit ihren Utopien Außenseiter unter den Rationalisten des Werkbunds.
Die Ausstellung endet mit dem patriotischen Nippes des Spätsommers 1914. Da steht die granatenförmige Porzellanzuckerdose neben Hindenburg-Ostereiern. Eine Gießkanne ist in den Farben der Kaiserfahne bemalt, und eine Schuhcremedose feiert sich selbst als „Deutsche Helden-Creme“. Der Kunsthistoriker Gustav Pazaurek, der für den Werkbund „Geschmacksverirrungen“ bekämpfte, erhob vergeblich Einwände gegen derlei „Hurrakitsch“. Im Krieg siegt immer die Barbarei. Auch die ästhetische.
Museum der Dinge, Oranienstraße 25, bis 2. Februar, Do–Mo 12–19 Uhr.
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