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Steven Markovitz (l.) und sein Mitarbeiter beim Africa Hub des European Film Market.
© Thilo Rückeis

Africa Hub bei der Berlinale: Kontinent im Aufbruch

Afrikanische Filmemacher wollen ein glamouröseres Bild von Afrika zeichnen. Darüber wurde beim European Film Market diskutiert.

Als Serge Noukoue am Samstagmorgen beim Frühstück in seinem Berliner Hotel sitzt und auf den Fernseher schaut, läuft dort ein kurzer Film über Afrika. Darin wird um Spenden geworben. Noukoue, Ivorer und als Filmschaffender in ganz West-Afrika aktiv, klingt fast ein bisschen genervt. Das seien Stereotype, die dadurch gefestigt würden, weil nur das Schlechte wahrgenommen werde, beklagt Noukoue. Afrikas Filmemacher wollen das ändern und ein positiveres, glamouröseres Bild ihres Kontinents zeichnen. „Change the narrative“ nennt Noukoue das.

Beim Africa Hub, das im Rahmen der Filmmesse European Film Market läuft, ist Aufbruchstimmung zu spüren, auch durch ein paar Erfolge der letzten Jahre. Eines der Vorzeigeprojekte des afrikanischen Films kommt aus Südafrika. In Kapstadt stehen die Cape Town Film Studios, die 2010 gegründet wurden und bereits jetzt in einer Liga mit den ganz Großen spielen. Südafrika sei günstiger als Hollywood, in einer Zeitzone mit Europa, mit gutem Wetter und spektakulären Landschaften beschenkt, schwärmt Monica Rorvik, Chefin der Wesgro Film and Media Promotions. Ihr Job ist es, Filmteams nach Kapstadt zu locken, die das große Geld ins Land und die schönen Filmbilder in die Welt bringen.

In den Kapstädter Studios wurde bereits Nelson Mandelas Autobiografie „A Long Way to Freedom“ verfilmt, das Gefängnis Robben Island dazu detailgetreu nachgebaut. Ryan Reynolds raste im CIA-Thriller „Safe House“ mit einem Jeep durch das Township Langa und mähte dabei zigfach Wellblechhütten nieder. In den Studios wurden Teile von „Mad Max: Fury Road“ produziert. Michael Bay lässt hier seit 2012 die Piratenserie „Black Sails“ drehen, mittlerweile in vier Staffeln. Im vergangenen Mai hätte ein Feuer beinahe die Kulisse zerstört, die Feuerwehr bekam es jedoch im letzten Moment unter Kontrolle. Das Piratenschiff steht deshalb noch immer von der Bundesstraße N2 gut sichtbar wie ein Fremdkörper in der Landschaft, die Straße bildet die einzige Trennlinie zwischen den Studios und dem Townships Khayelitsha, einem der ärmsten im Kapstädter Großraum mit fast 400 000 Bewohnern.

Erfolgsprojekte wie "Nollywood" sind bislang die Ausnahme

Ebendiese Kluft – Potenzial und Probleme eng beieinander und doch scharf getrennt – stellt den gesamten afrikanischen Filmmarkt vor eine Riesenaufgabe. Denn Kapstadt ist nicht Afrika. Erfolge sind punktuell, hier mal ein Film, dort mal ein Schauspieler, Idris Elba ist so ein Beispiel. Erfolgsbewegungen wie Nollywood in Nigeria seit den neunziger Jahren sind bislang die Ausnahme. Politische Spannungen, Bürgerkriege, Terrorismus – in einigen Regionen ist Kino ein Luxus mit niedriger Priorität.

Und trotzdem bewegt sich etwas. Afrika will nicht länger nur wahlweise exotische Kulisse sein für internationale Filme oder Sorgenkind der Welt, die Filmbranche will als eigenständig wahrgenommen werden. Das bedeutet primär: eigene Inhalte. Weil es diese lange Zeit so gut wie gar nicht gab, waren lateinamerikanische Telenovelas in Afrika jahrzehntelang populär, erzählt Noukoue, aber seit etwa zehn Jahren würden die Zuschauer nach Geschichten verlangen, mit denen sie sich identifizieren können. Afrikanisches Kino für afrikanisches Publikum also.

Das Interesse ist da, aber es gibt Berührungsängste

Daran arbeitet Steven Markovitz, der Gründer von African Screen Network: „Wenn wir nur Filme für fremde Märkte produzieren und nicht für uns selbst, wirkt sich das irgendwann auch auf die Art aus, wie wir Filme machen.“ Deshalb zieht er seit vergangenem Juni mit seiner Firma von Land zu Land, um Kinos und Kulturstätten zu gewinnen, afrikanische Filme ins Programm zu nehmen. 17 Länder sind bisher dabei, mehr sollen folgen. Das Ganze ist ein mühsamer Prozess. In ganz Afrika gibt es 1100 Kinos, so viele wie allein in Polen. 750 davon in Südafrika.

Markovitz will Afrika mit Afrika vernetzen, Monica Rorvik möchte die ganz große Filmwelt nach Kapstadt holen. Serge Noukoue geht den entgegengesetzten Weg. Seine Hoffnung: den afrikanischen Film zu exportieren, ihn auf anderen Kontinenten zu einer starken Marke zu machen. Ein hehres Ziel, mit ganz pragmatischen Hürden – zum Beispiel der Sprache. Deshalb werden Filme jetzt häufiger auf Englisch produziert, selbst in französischsprachigen Ländern. Das anglofone Publikum sei nicht an Synchronisation gewöhnt, umgekehrt gebe es viel weniger Hürden.

„Grundsätzlich ist das internationale Interesse ja bereits hoch“, sagt Noukoue. Nur gebe es oft noch Berührungsängste. „Wann wird denn im ZDF mal ein afrikanischer Film gezeigt“, fragt er, „ein wirklich afrikanischer und nicht einer, in dem europäische Filmemacher ihre Sicht auf den Kontinent zeigen?“ Die Frage ist gut. Nur erreicht sie beim Africa Hub auf der Berlinale vor allem Afrikaner. Vom ZDF war niemand zu sehen.

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