Manfred Honeck und die Berliner Philharmoniker: Komm ins Uferlose
Melancholie und ungehemmte Sahnigkeit: Manfred Honeck und Matthias Goerne bei den Berliner Philharmonikern.
Wasserwesen, diese überaus zart fließenden Charaktere, haben einen fatalen Hang zum Menschen. Geborgen in seiner Liebe, so hoffen sie, wird endlich auch ihnen eine rechte Seele zuteil. Da aber an Land bekanntlich Lug und Trug herrschen, geht das an den Menschen gebundene Wasserwesen hier alsbald zugrunde.
Diese tragische Kollision der Welten, angefüllt von allerlei Sphärenklängen, hat es vielen Komponisten angetan, auch Antonin Dvorak in seiner Oper „Rusalka“. Der Dirigent Manfred Honeck hat aus dem Musiktheaterwerk eine Suite für den Konzertsaal kompiliert, die er zum Auftakt seines Gastspiels bei den Berliner Philharmonikern auserkoren hat.
Der 58-jährige Österreicher, der lange selbst als Streicher bei den Wiener Philharmonikern gearbeitet hat, tritt Dvoraks feinen Klangwundern recht breitbeinig gegenüber. Die eröffnende Festmusik des zweiten Aktes rumort robust, als wolle man damit beim Wiener Neujahrskonzert alle Verkaterten zumindest einmal in ihren Sitzen zusammenzucken lassen. Dass durch das ganze „Rusalka“-Geschehen eine melancholische Unterströmung zieht, bleibt Manfred Honeck verschlossen – und Dvorak büßt viel von seiner Magie ein.
Nachschwingen der Seele
Das gilt auch für die 8. Symphonie des Komponisten, die das Konzert am Donnerstag beschließt. Beinahe gewaltsam wird hier jenes Sentiment vertrieben, das im Nachschwingen einer erregten Seele entsteht. Wie hat Nikolaus Harnoncourt dagegen einst diese kostbaren Momente einfangen können, ja, sie als Kern von Dvoraks Musizieren ausgemacht und geteilt!
Zwischen diesen hingedonnerten Werken aber tritt – Gott sei Dank! – mit Matthias Goerne ein sinnlicher, jede Silbe aus dem kreisenden Körper holender Sänger auf. Der Bariton singt Klavierlieder von Franz Schubert und Richard Strauss, die später eine Orchesterbegleitung erhielten, in Schuberts Fall ganz neu von Alexander Schmalcz eingerichtet.
Schmalcz’ Arrangements klingen wunderschön, doch ihre ungehemmte Sahnigkeit nimmt Schubert gleichzeitig auch etwas von seiner Intimität, der Ausverkauf des gerade erst entdeckten Gefühls droht. Der hellwache Matthias Goerne kann das gerade noch verhindern und „Des Fischers Liebesglück“ ganz weit hinaus auf den dunklen See schaukeln lassen. So weit, dass man das Boot nicht mehr erkennen kann, das Gefühl aber tatsächlich die weite Welt geworden ist (noch einmal am heutigen Samstag um 19 Uhr).