Daniil Trifonov und das Pittsburgh Orchestra: Ins Unerbittliche getrieben
Jubel, Trubel und Brillanz: Daniil Trifonov war mit dem Pittsburgh Orchestra in der Philharmonie zu Gast
Arpeggien, Triller, all die Bravournummern der Klaviervirtuosen, bei Daniil Trifonov ist’s keine Oberflächen-Verwirbelung, sondern brodelnder Urgrund, das Beben der Seele. Sein feines Legato, das sich immer wieder energisch verdichtet, elektrisiert Rachmaninows 2. Klavierkonzert. Das hellsichtige Spiel des Pittsburgh Symphony Orchestra fügt sich derart symbiotisch hinzu, dass man meinen könnte, dieser in sich versunkene, schlaksige junge Mann am Steinway evoziere den Orchesterklang mit seinen Fingern.
Ungeheuer organisch bettet Trifonov sein Klavierspiel schon im ersten Satz ein. Ein meditativer Bewusstseinsstrom, der in einem Triller von geradezu schmerzhafter Intensität kulminiert. Keine Ahnung, woher der erst 25-jährige, längst als Meister gefeierte Russe die Unbedingtheit herholt, die emotionale Tiefe. Posen, Kitsch, Gefälligkeit, ist ihm alles fremd, so nahe es bei Rachmaninow auch liegen mag.
Peitschenschläge in der Philharmonie
Wie bei Igor Levit, der ebenfalls aus Nischni Nowgorod stammt, sind auch bei Trifonov technische Souveränität und Ausdrucksintensität ein und dasselbe. Introspektion und Ekstase: Manchmal kauert er wie ein Kobold auf seinem Hocker, wird selber ganz Ton, um im nächsten Moment jeden Muskel anzuspannen und fast zu springen – Musik als Akt körperlicher Konzentration. Die Präzision, mit der die Pittsburgher und Trifonov das finale „Resoluto“ ins Unerbittliche treiben, mündet in messerscharf homogene Schlussakkorde: Wie Peitschenschläge knallen sie durch die Philharmonie.
Überhaupt, die Homogenität des Pittsburgh Symphony Orchestra unter Leitung seines Chefdirigenten Manfred Honeck: Schon dem heroisch-herrischen Auftakt von Beethovens Coriolan-Ouvertüre lassen sie eine furchterregend stählerne Brillanz angedeihen. Bei Tschaikowskys „Pathétique“ beweisen die Amerikaner dann, dass sie mehr zu bieten haben als Effizienz und Effekt. Die Piano-Kultur des Orchesters hat es in sich, die trancehaften Soli vor allem der Klarinette, die mal leichenfahlen, mal sanft glühenden, mal spukhaften Pianissimi der Streicher. Auf das Verschwinden im Nichts läuft es im Finalsatz ja hinaus – schade, dass ein voreiliger Applaus den letzten verzitternden Kontrabasstönen die Luft abschneidet.
Auch die "Berliner Luft" fehlt nicht
Jubel und Trubel zum Schluss: Das Konzert wird live in die Heinz Hall in Pittsburgh gestreamt, Honeck wedelt dem heimischen Publikum mit einem gelben Handtuch zu, dem terrible towel der Pittsburgh Steelers, der dortigen Football-Mannschaft. Als Rausschmeißer gibt’s den Galopp aus Khachaturians „Maskerade“-Suite, ergänzt um freie Medley-Kadenzen, in denen auch die „Berliner Luft“ nicht fehlt. Daniil Trifonov hatte übrigens Liszts kapriziöse Paganini-Etüde Nr. 2 als Zugabe gewählt, sie war ihm etwas zu manieriert geraten.