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Cello around the Clock. Ludwig Quandt, Chef der 12 Cellisten, ist im Bild um 3 Uhr zu sehen, sein Kollege Nikolaus Römisch um 12 Uhr.
© Uwe Arens

Cello ist Instrument des Jahres: Klänge aus dem Bauch

Das Violoncello ist das „Instrument des Jahres“ – die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker feiern es mit einem Konzert.

Auf dem Violoncello kann man „fast alles“ spielen, sagt der Cellist Ludwig Quandt. Den großen Tonumfang seines Instruments „bis fast in die höhere Geigen-Region“ stellt er mit einigen Tönen aus einer Allemande von Johann Sebastian Bach unter Beweis. Augenblicklich füllt sich der Probenraum in der Philharmonie mit wärmstem Wohlklang, den der 1. Solocellist der Berliner Philharmoniker seinem kostbaren Ruggeri-Cello entlockt. Nur die menschliche Stimme könne mit der emotionalen Intensität des Cellos mithalten, findet der künstlerische Leiter der 12 Cellisten. Und auch die Melancholie des Tangos lasse sich mit dem Cello „ganz unmittelbar verwirklichen“. Darum stehen am 21. Januar gleich mehrere Stücke von Astor Piazzolla auf dem Programm, wenn die 12 Cellisten im Kammermusiksaal das von den Landesmusikräten ausgerufene Instrument des Jahres 2018 feiern.

Ob Cellisten ganz allgemein einen Hang zur Melancholie haben? Nach kurzem Nachdenken will der 1961 in Ulm geborene Cellist „das mal so gelten lassen“. Unterdessen ist Quandts jüngerer Kollege Nikolaus Römisch eingetroffen. In einer spätromantischen Sinfonie mit ausgedehnten Soli für die Cello-Gruppe brauche man durchaus eine gewisse Fitness, erzählt der gebürtige Berliner. „Wenn man Mahlers Neunte spielt, merkt man nach drei Abenden hintereinander, dass das körperlich eine andere Anstrengung ist als auf der Geige.“

Nicht nur die Physis der Cellisten, auch ihre Instrumente werden stark beansprucht: Das Griffbrett eines Cellos besteht aus hartem Ebenholz, bekommt aber vom Spielen feine Riefen, wenn man bis zu zehn Stunden täglich probt und konzertiert. Deshalb sucht Ludwig Quandt mit seinem Instrument mindestens einmal im Jahr die Werkstatt von Felix Scheit auf. Der in Frankfurt geborene Geigenbaumeister hat sich 1994 in Prenzlauer Berg niedergelassen, restauriert Violoncelli alter Meister, baut aber auch ein neues Instrument pro Jahr.

Kinder fühlen sich vom wohligen Ton des Cellos angezogen

Drei der wunderschönen Celli sind in seiner Ladenwerkstatt zu bestaunen, vollständig in Handarbeit hergestellt und kunstvoll lackiert, was am Ende auch im Preis von rund 35 000 Euro zum Ausdruck kommt. Professionelle Musiker würden für die Anschaffung oft einen Bankkredit aufnehmen, erzählt Scheit.

Zu seinen Kunden gehören auch Eltern mit Kindern, die Cello lernen möchten. Der Trend zum Cello werde sich durch das Projekt „Instrument des Jahres“ sicher noch verstärken, er habe aber schon länger beobachtet, dass sich Kinder vom tiefen, wohligen Ton, aber auch von der besonderen Spielhaltung des Cellos angezogen fühlen: „Das Cello lehnt man an die Brust, man umarmt es in einer gewissen Weise. Insofern ist es ein innigeres Instrument als die Geige. Die Geige ist eher so ein Kopfinstrument. Das ist oben am Kopf, und das Cello, das ist eher so ein Bauchinstrument.“

Unglaublicher Moment der Schönheit

Die Konkurrenz zwischen Cello und Violine ist zwischen den Zeilen in allen Gesprächen wahrnehmbar. Und findet sich auch im Konzertrepertoire wieder: Die Violinkonzerte von Beethoven und Brahms, Mozart und Mendelssohn stehen ständig auf dem Programm, bei den Cellokonzerten gäbe es im Cello-Jahr 2018 dagegen noch einiges zu entdecken, meint Professor Heinz von Loesch. In Sichtweite der Berliner Philharmonie, am Staatlichen Institut für Musikforschung, hat er über das „Cellokonzert von Beethoven bis Ligeti“ promoviert und das Cellokonzert von Robert Schumann in einer einzelnen Studie ausführlich gewürdigt. Im langsamen Satz dieses Konzertes gäbe es einen unglaublichen Moment der Schönheit. „Da steht die Zeit still“, meint von Loesch, der sich bei der Bewertung dieses Konzerts mit Ludwig Quandt einig ist. Auch für den 1. Solocellisten der Philharmoniker kann Schumanns Konzert 2018 gar nicht oft genug gespielt werden.

Die 12 Cellisten geben am 21. Januar um 11 Uhr ein Rotary-Benefizkonzert im Kammermusiksaal der Philharmonie.

Hans Ackermann

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