zum Hauptinhalt
Polizist Wang (Fan Liao) nähert sich der Wäscherin Wu (Lun Mei Gwei)
© Berlinale

Berlinale-Gewinner: "Black Coal, Thin Ice": Killer auf Kufen

Der chinesische Krimi „Black Coal, Thin Ice“ ist vom amerikanischen und französischen Film noir beeinflusst. Er ist so packend und stilsicher inszeniert, dass er zu recht im Wettbewerb landete - und nun den Goldenen Bären 2014 gewann.

Zhang (Liao Fan) ist eine ziemlich fiese Type. Er säuft, spricht kaum und behandelt Frauen ausgesprochen grob. Seit seine Frau sich vor fünf Jahren von ihm scheiden ließ und er kurz darauf wegen eines schief gelaufenen Einsatzes den Job bei der Polizei aufgeben musste, hat sein Leben die Richtung verloren. Als ihm eines Nachts auch noch sein Motorrad geklaut wird – der Dieb lässt dafür immerhin sein Moped da –, ist er am Tiefpunkt angekommen. Schlingernd und stolpernd bewegt sich Zhang fortan durch „Black Coal, Thin Ice“ des chinesischen Regisseurs Diao Yinan.

"Black Coal, Thin Ice" (im Original "Bai Ri Yan Huo") ist konzentrierter und spannender Film Noir - und hat bei den 64. Internationalen Filmfestspielen den Goldenen Bären gewonnen. Und für die Rolle des wortkargen - und herrlich fiesen - Zhang wurde Liao Fan mit dem Silbernen Bären als Bester Darsteller gewürdigt. Dieser Zhang ist das Zentrum des Films.

Bei einer Begegnung mit seinem Exkollegen Wang (Yu Ailei), der inzwischen zum Kommissar aufgestiegen ist, bekommt Zhang mit, dass – wie schon vor fünf Jahren – Leichenteile in der Stadt gefunden werden und alle Opfer eine Verbindung zur Witwe des damaligen Opfers haben. Die hübsche Wu Zhizhen (Gwei Lun Mei) arbeitet in einem Waschsalon. Also lässt Zhang einfach mal eine Lederhose bei ihr reinigen und beginnt sie zu verfolgen, was sie sich bald verbittet. Doch der Ex-Cop bleibt an ihr dran, selbst wenn er dafür auf einer Eisbahn herumschlittern muss. Endlich hat er wieder einen Fall und eine Frau im Blick.

"Black Coal, Thin Ice" ist chinesischer Film Noir

„Black Coal, Thin Ice“ ist von klassischen amerikanischen und französischen Detektivfilmen inspiriert, doch Diao Yinan entwickelt einen starken eigene Ansatz. Das liegt am Setting – und an der Ästhetik. Die Geschichte spielt im schneereichen Winter 2004 in einer mittelgroßen Provinzstadt im Norden Chinas, die nicht sonderlich ansehnlich ist. Ruhige, oft weitwinklige Bilder zeigen Straßenecken, ein Kraftwerk, die Bahnlinie, die Neonreklamen der Bars und Kinos. Private Räume sind kaum zu sehen, auch Zhang wird nie zu Hause gezeigt – dennoch bekommt man ein Gefühl für diesen kargen Ort, an dem Mobiltelefone noch nicht erfunden zu sein scheinen, dafür aber plötzlich mal ein Pferd auf dem Hausflur steht.

Atmosphärisch ist auch die Farbdramaturgie, die vor allem mit Akzentuierungen in den Komplementärfarben Rot und Grün arbeitet. Die von Zhang immer stärker begeehrte Wäscherin Wu trägt zunächst Grün, auch der Salon schimmert grünlich. Rot benutzt Diao Yinan in seinem überwiegend nachts spielenden Film, wenn es eine Verbindung zu den Mordfällen gibt.

Zhang, der schwarz-braune Kleidung trägt, taucht immer tiefer hinein in diese rot-grüne Welt, durch die ein finsterer Killer läuft. Bald wird klar, dass es sich dabei um einen Mann handelt, der ein Paar alter Lederschlittschuhe über der Schulter trägt. Eine dunkelrot erleuchtete Szene illustriert, dass er die Kufen nicht nur zum Eislaufen benutzt. Es erwischt Zhangs Exkollegen.

Wenig Theaterblut, dennoch voller Farben

Diao Yinan, der auch am Theater arbeitet, entspinnt den Fall auf elegante, vielschichtige Weise. Er zeigt hier mal ein Foto, von dem man später versteht, dass darauf ein nur vermeintlich toter Mann zu sehen ist, lässt dort jemanden ein Beweisstück aus dem Schrank holen und erlaubt sich sogar eine somnambule Schlittschuh-Passage in die Nacht. Nichts erinnert an die derzeit omnipräsente und seriell verfertigte Crime-Ware mit ihren effizienten Thrill- und Plotpoint-Konventionen. Dafür gibt es in „Black Coal, Thin Ice“ Detailliebe und ein witziges Feuerwerk am Tag, auf das sich übrigens der chinesische Originaltitel „Bai Ri Yan Huo“ bezieht.

Auch die Rot-Grün-Symbolik sorgt noch für eine Art Knalleffekt: Als Wu gegen Ende statt des grünen einen roten Pulli trägt und sogar einen dicken roten Schal um den Hals, wird sie damit geradezu markiert. Theaterblut braucht Diao Yinan für seinen mitreißenden Krimi hingegen kaum.

13.2., 9.30 und 18 Uhr (Friedrichstadt- Palast)

Zur Startseite