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Kurz angebunden. Katarzyna Kozyras „Homo Quadrupeds Blue“ (2018).
© Zak/Branicka

Schau in Kreuzberg: Katarzyna Kozyra, die feministische Regelbrecherin

Sie lässt Sänger muhen und nimmt Männer an die Leine. Katarzyna Kozyras Kunst ist provokativ, manchmal auch plakativ. Die Galerie Zak/Branicka zeigt ihr Werk.

Die Szene ist grotesk. Paarweise marschieren Sänger auf, platzieren sich auf Euro-Paletten und stimmen Beethovens „Ode an die Freiheit“ an, die Hymne der Europäischen Union. Doch singen sie nicht, sondern muhen, quieken, keckern wie die Tiere. Alle Menschen werden Brüder – und die Fauna dazu. Katarzyna Kozyra dirigiert diesen sonderbaren Chor. Mit Pompadour-Perücke, Korsage, Beinkleidern aus Seide und Spangenschuhen im Stil des 18. Jahrhunderts gibt sie die älteste Tochter des berühmten schwedischen Botanikers Carl von Linné. Obwohl ihr als Frau das Studium verwehrt blieb, betätigte sich Elisabeth Christina erfolgreich als Naturforscherin und ist doch heute so gut wie vergessen.

Katarzyna Kozyra ist Künstlerin, Feministin, Regelbrecherin. Ihr 2018 entstandenen Video „Der Traum von Linnés Tochter“ – so auch der Titel ihrer Einzelausstellung bei Zak/Branicka – würdigt eine Frau, die allen Widerständen zum Trotz ihre Forschungsergebnisse bei der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften anerkennen ließ. Auch die Künstlerin will mit dem Kopf durch die Wand. Sie löst die Grenze zwischen Mensch und Tier auf, schafft die Utopie einer Gemeinschaft, die zwischen Spezies nicht länger trennt. Als Seitenhieb auf die männlich dominierte Wissenschaft findet dieses Schauspiel in dem nach Linné benannten Garten in Uppsala statt. Hier wirkte der schwedische Botaniker einst und begründete vor über 250 Jahren die Taxonomie, mit der die Gattungen geordnet werden. Die Kunst hebt die Kategorien wieder auf.

Expertin für starke Bilder

Mit ihrer Performance hat Kozyra ein poetisches Bild für die Verbrüderung von Mensch und Tier gefunden. Am Schluss lässt es die Künstlerin aus einer tragbaren Dusche auf Sänger und Publikum plätschern. Wie Gott schickt sie Regen. Rette sich also, wer kann, auf die neue Arche. Die Euro-Paletten sind jedenfalls aufgestellt. Hätten die Beteiligten nicht offensichtlich ihren Spaß an dieser tierischen Performance – die Sänger müssen zwischendurch lachen, das Publikum amüsiert sich –, wäre das alles nur verkopft und kompliziert. Kozyra hat ihre eigene Metapher für etwas gefunden, was auch Biologen, Philosophen, Aktivisten bewegt: die Gleichberechtigung von Mensch und Tier. Die Documenta-Macherin Carolyn Christov-Bakargiev hatte 2012 eher erfolglos versucht, den Diskurs auch in die Kunstwelt einzuführen und wurde verlacht für ihre Bemerkung, Erdbeeren könnten denken. Kozyras spielerische Darstellung mag naiv wirken, doch schlägt sie die richtige Richtung ein, wenn es um das große Ganze geht, das Überleben auf diesem Planeten.

Die polnische Künstlerin ist Expertin für starke Bilder. Das fing schon mit Beginn ihrer Karriere an. Die Diplomarbeitarbeit der heute 55-Jährigen löste 1993 in ihrer Heimat einen Skandal aus. Sie hatte die Bremer Stadtmusikanten aus lebensechten Präparaten nachbilden lassen, dazu einen Film der Schlachtung und Herrichtung des Pferdes gestellt. Mal ließ sie sich in der Pose von Manets „Olympia“ fotografieren, nur war sie als Akt keine Augenweide für den männlichen Blick, sondern ein Bild des Leids. Damals kämpfte die Künstlerin mit Krebs. Für ihre filmischen Aufnahmen aus dem Männer- und Frauenbad in Budapest, die viel über das Verhältnis der Geschlechter zu ihrem eigenen Körper aussagen, erhielt sie als Repräsentantin Polens 1999 auf der Biennale di Venezia eine lobende Erwähnung. In ebenso nachhaltiger Erinnerung ist ihre Umsetzung von Strawinskys „Sacre du Printemps“ mit gealterten nackten Tänzern mit Hilfe animierter Bilder, die im Haus der Kulturen in der Ausstellung „Über Schönheit“ zu sehen war.

Dick aufgetragen

Bei ihren Sondierungen der Geschlechterrollen mag die Künstlerin es drastisch, Männer müssen Hunde mimen. So führt sie als Lou Andreas-Salomé, eine Femme fatale und Intellektuelle der Jahrhundertwende, ihre Gefährten Friedrich Nietzsche uMnd Sigmund Freud als Doggen an der Leine durch das Wiener Schwarzenberg-Palais. Die Domina trägt Schwarz und hat eine Peitsche zur Hand. Für die Fotoserie „Quadrupeds“ halten zwei Burka-Trägerinnen vier nackte Männer an der Leine, Araber und Amerikaner, wie der Begleittext informiert, die sich im Film gegenseitig anfallen.

Das alles erinnert stark an Valie Exports und Peter Weibels Gassigehen in den 60ern. Gewiss, Kozyra will mehr – sie mengt dem Feminismus noch Weltpolitik bei und erhöht damit das Erregungspotenzial. Doch wo soll das hin? Ist der Hund nun böse und die Halterin gut? Steckt in der Verbrüderung mit der Tierwelt das Heil? Am Ende wirken die Motive vor allem dick aufgetragen, die Tabubrüche wie Effekthascherei. Schade, von einer Powerfrau wie Katarzyna Kozyra hätte man gerne mehr mitgenommen für da draußen.

Galerie Zak/Branicka, Lindenstr. 35, bis 16.2.; Di bis Sa 11 – 18 Uhr.

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