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 Joseph Haydn
© picture-alliance/ dpa

Sing-Akademie zu Berlin: Karpfen in der Kirche

Die Sing-Akademie zu Berlin zeigt in der Elisabethkirche, dass Haydns frühestem - und unbekanntestes - Oratorium "Il ritorno di Tobia" ein unterschätztes Werk ist.

Kaum zu zählen sind die Aufführungen von Joseph Haydns späten Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“. Sein Oratorienerstling hingegen wurde wohl zum letzten Mal im Jahre 1777 in Berlin gegeben – nur zwei Jahre nach der Uraufführung. Mit dieser Vernachlässigung von „Il Ritorno di Tobia“ wollte sich die Sing-Akademie zu Berlin nicht zufriedengeben. Zu Recht weisen der Dramaturg Christian Filips, der die szenische Einrichtung des Stücks in der Elisabethkirche verantwortet, und der musikalische Leiter Kai-Uwe Jirka im Programmheft darauf hin, dass in dem Stück mithilfe der Lichtsymbolik auch der Aufklärungsgedanke verhandelt wird.

Erzählt wird die Geschichte von der Rückkehr Tobias’, der auf seiner Reise einem Fisch begegnet, den er auf Geheiß des ihn begleitenden Engels tötet und mit dessen Galle er die Blindheit seines Vaters heilen soll. Haydn setzt das Geschehen, das um die widerstrebende Annahme dieses Wunders kreist, in einem äußerst sicher gehandhabten, an der italienischen Oper orientierten Stil um, der mit seiner ungewöhnlich reichen und differenzierten Bläserbehandlung sowie zwei groß angelegten strengen Chorfugen auch über das in italienischen Oratorien der Zeit Übliche hinausweist.

Viel hat sich Christian Filips einfallen lassen, um die vom Librettisten ziemlich in die Länge gezogene Geschichte aus frömmelnder Ferne in die Gegenwart zu holen: Es gibt ein leicht absurdes Vorspiel auf dem Friedhof, lebende Bilder, eine einmontierte Predigt nach Herman Melvilles „Moby Dick“, die Maximilian Brauer in schwindelerregender Höhe von einer leeren Türfüllung aus hält – und ein Karpfen muss für die Aufführung auch daran glauben und sich zubereiten lassen.

Allerdings sind die Einfälle nicht präzise genug platziert und durchgeführt, um als Collage statt assoziative Kuriosa zu wirken. Die musikalische Ausführung kann jedoch dieses Manko stets wettmachen: Der Chor und die Kammerakademie Potsdam agieren äußerst plastisch und sauber und selbst das flüsterndste Pianissimo hat im Chor Stütze und Ausstrahlungskraft. Souverän bewältigt die Solistenriege die in allen Lagen mit Koloraturen gespickten Partien – allen voran Hanna Herfurtner als Schwiegertochter Sara. Eine Freude ist auch der Knabensopran Daniel Noack als in strahlender Höhe deklamierender Engel. Gekürzt und stilistisch einfühlsam präsentiert wie hier dürfte das Stück die Oratorienszene gerne noch öfter bereichern.

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