Neue Transparenz am Burgtheater Wien: Karin Bergmann bleibt Burgtheater-Direktorin
Entscheidung in Wien: Karin Bergmann folgt Matthias Hartmann als Burgtheater-Direktorin nach. Sie verheißt neue Transparenz in dem von Prozessen und Skandalen gebeutelten Haus.
Unter mehr als zwanzig Kandidaten sollen am Ende der Regisseur Michael Thalheimer und Dresdens Schauspielintendant Wilfried Schulz recht weit vorne gestanden haben. Doch die Wahl ist auf die bisherige Interimsdirektorin Karin Bergmann gefallen. Sie wird das Wiener Burgtheater, Europas größte Schauspielbühne, bis zum Sommer 2019 weiter leiten.
Am 11. März war der seit 2009 amtierende Burg-Direktor Matthias Hartmann überraschend entlassen worden, weil er in einen Skandal um schwarze Kassen, Steuerhinterziehung und Bilanzbetrug an seinem Theater verstrickt gewesen sei. Hartmann, der gegen den Rausschmiss prozessiert, hatte zuvor seinerseits Silvia Stantejsky fristlos gekündigt – die kaufmännische Direktorin der Burg. Stantejsky, bei allen Künstlern hochbeliebt, hatte deren Gagen über viele Jahre offenbar ziemlich freihändig ausgezahlt und höhere, womöglich unversteuerte Gelder, auch von Hartmann selbst, bei sich als Barsummen verwahrt. Doch auch Stantejsky klagt gegen ihre Kündigung.
In dieser Situation hatte Österreichs Kulturminister Josef Ostermayer mit Zustimmung des Ensembles Karin Bergmann zunächst interimistisch für zwei Jahre als „Troubleshooterin“ berufen. Als erste Frau in der in der fast 240-jährigen Geschichte des Hauses hatte Bergmann am 19. März ihr Amt als Übergangschefin angetreten. Bergmann hatte bereits einen Monat nach ihrem Amtsantritt einen 100-Punkte-Plan zur Sanierung des Hauses vorgestellt. Er sieht die Erhöhung der Eintrittspreise und weniger Premieren vor. Damit sollen in der laufenden Spielzeit vier Millionen Euro eingespart werden.
Die 61-jährige gebürtige Recklinghäuserin war eigentlich bereits 2010, nach einem Jahr als Stellvertreterin Hartmanns, in Pension gegangen. Zu Claus Peymanns Bochumer Intendanz-Zeit hatte sie 1979 als Dramaturgieassistentin im Theater angefangen und war dann mit Peymann nach Wien gewechselt. Während dessen Direktion von 1986 bis 1999, bis Peymann ans Berliner Ensemble berufen wurde, fungierte Karin Bergmann als Pressesprecherin der Burg.
"Ich persönlich brauche keinen Glanz"
Die sechsköpfige Findungskommission wollte Bewerber, die ein Gespür für „Kunst und Kasse“ haben. „Beides kann sich wunderbar ergänzen“, sagte Bergmann am Dienstag. Sie wolle die größte Sprechbühne Europas unter dem Motto „Das Burgtheater für die Welt von Morgen“ auch mit einem stark nachbarschaftlichen Gedanken führen. So sollen mehr denn je Produktionen aus Ungarn, Slowenien, der Slowakei und Tschechien einen Platz im Wiener Spielplan bekommen. Aber auch an die „großen epochalen Stoffe“ müsse sich das Burgtheater wieder herantrauen. Dazu gehörten die „Göttliche Komödie“, die „Orestie“, die „Nibelungen“ oder ein neuer „Jedermann“.
Bergmann unterstrich vor allem mit Blick auf das hochkarätige 80-köpfige Ensemble die Ambition, das Leittheater in Europa zu bleiben. „Das Burgtheater ist der Turm, auf den immer noch alle schauen“ - auch wenn es kurze Zeit so ausgesehen habe, dass dieser Turm in Schräglage gerate. Sie selbst verstehe sich als Team-Arbeiterin. „Ich persönlich brauche keinen Glanz. Den lege ich mir zu durch die Künstler, die hier alle arbeiten werden.“ Zentrales wirtschaftliches Ziel bleibe es, dass Gehaltserhöhungen bei den Bundestheatern nicht mehr aus gleich bleibenden Subventionen finanziert werden müssten, sagte Bergmann. Dann gehe die Budget-Schere immer weiter auf.
Unmittelbar künstlerisch hat die mit dem international bekannten österreichischen Architekten Luigi Blau verheiratete Ruhrpottlerin nie gearbeitet. Aber sie kennt das Metier, gilt als integer und hat mit ihrer Offenheit, mit Charme, Bescheidenheit und energischem Fleiß offenkundig die Herzen des 80-köpfigen Ensembles gewonnen. Gert Voss, der im Sommer plötzlich verstorbene herausragende Burgschauspieler, gehörte noch ebenso wie Peymanns Kompagnon Hermann Beil, die graue Eminenz des Berliner Ensembles, zur kleinen Findungskommission, die dem österreichischen Kulturminister dazu riet, mit Karin Bergmann zumindest mittelfristig für Kontinuität und Beruhigung zu sorgen.
Das erscheint an der mit 46 Millionen Euro subventionierten Staatsbühne dringend nötig. Die Stimmung war unter Hartmanns egomaner Burgherrschaft stark verunsichert, und die vorm Wiener Arbeitsgericht laufenden Prozesse sowie neue Vorwürfe auch gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden der Burgtheater GmbH, Georg Springer, sorgen in Wien für immer neue Schlagzeilen. Sie tauchen das bisher übliche Finanzgebaren weiter ins Zwielicht. Bergmann verheißt nun neue Transparenz.
In Berlin war zuletzt Matthias Hartmanns Produktion "Die letzten Zeugen", die Holocaust-Überlebende auf die Bühne brachte, beim Theatertreffen im Mai zu sehen.
(mit dpa)
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