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Mariette Rissenbeek leitet zusammen mit Carlo Chatrian die Filmfestspiele.
© Jens Kalaene/dpa

Nach dem Summer Special: Kann die Berlinale in Zukunft draußen bleiben?

Die Sommerausgabe der Berlinale ist so erfolgreich verlaufen, dass sich viele eine Fortführung des Konzeptes wünschen. Was denkt die Festivalleitung darüber?

Das gab es noch nie: Eine Berlinale, bei der das Festivalbüro twittert, das Publikum möge das Mückenmittel bitte nicht vergessen. Das Wetter war dem Sommerfestival hold, trotz kühler Abende zu Beginn, Hitzewelle, einiger windbedingter Absagen und Gewitterhimmel am Ende. Die Bilanz des Pilotprojekts fällt positiv aus, Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek haben auf Risiko gespielt und gewonnen.

Bitte fortsetzen, sagen jetzt viele. Nun kann die Berlinale im Festival-Jahreskalenders nicht grundsätzlich vom Februar abrücken: Cannes im Mai, Locarno im August, Venedig und Toronto im September – ein Zusammenrücken aller in den Sommer würde der Programmauswahl und der Branche zu sehr schaden. Aber warum nicht ein jährliches Best-Of-Sommerfest?

Es ginge nur mit zusätzlichen Sponsoren

Auch das Leitungsduo denkt darüber nach. Geschäftsführerin Rissenbeek teilt auf Anfrage mit, der Enthusiasmus des Berliner Publikums sei sehr beflügelnd. Auch wenn das umfangreiche „Summer Special“ einzigartig bleibe, „überlegen wir, ob wir außer den fünf bis sechs Filmen, die bereits seit vielen Jahren bei der Sommer-Berlinale gezeigt werden, künftig ein paar Filme mehr zeigen“. Klingt nach kleiner Lösung. Eine Festivalwoche mit mehreren Outdoor- und Indoor-Kinos sollte doch vielleicht drin sein.

Das kostet Geld. Dieses Jahr gingen die Ticketerlöse an die Lockdown-geplagten Kinobetreiber. Dank großzügiger Bundeshilfen konnte die Berlinale darauf verzichten, die die Kinos im Februar sonst mietet. Künftig ginge es im Sommer nur mit zusätzlichen Sponsoren, denn gerade die Freiluftkinos brauchen die Einnahmen in ihrer sommerlichen Hauptsaison.

Wobei Rissenbeek der charmanten Idee, die zentrale Location an der Museumsinsel 2022 wieder aufzubauen, eine Absage erteilt. Die Bühne sei einmalig eingerichtet worden, „um einen adäquaten Ersatz für die Wettbewerbspremieren im Berlinale Palast zu haben“. Aber fände sich dafür nicht ein Finanzier? Was ist mit dem Hauptstadtkulturfonds, mit dem Land Berlin?

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Die Berliner Kultur entdeckt überhaupt gerade den Sommer. Bisher war er weitgehend den Off-Bühnen vorbehalten, und den Pop- Events in der Waldbühne, der Wuhlheide, der Zitadelle Spandau. Den langen Schließungen folgen jetzt vielerorts Nachspielwochen: Das Deutsche Theater verkürzt die Saisonpause, das Gorki macht nur vier Wochen dicht, die Schaubühne spielt durch.

Lauter Pilotprojekte? Kürzere, übers Jahr verteilte Breaks, gestaffelter Urlaub für die Mitarbeiter statt zwei- bis dreimonatiger Sommerpause, mehr Open Air – die Ideen sind da. Theatermacher wie Matthias Lilienthal und Thomas Ostermeier hatten sie schon im Winter formuliert.

Für Freiluftkinos gelten weiter strenge Auflagen

Aber erstmal muss die Zukunft tatsächlich beginnen. Die Delta-Variante des Virus könnte alle Überlegungen zur postpandemischen Kultur bald wieder durchkreuzen. Gerade für die Kinos ist es noch lange nicht vorbei, trotz Berlinale-Euphorie .

Da ist zum einen die Filmstartschwemme ab 1. Juli: Im Sommer herrscht ohnehin Flaute an den Kinokassen, mit Fußball-EM und dem aktuellen Boom der Outdoor-Aktivitäten wohl erst recht. Wegen des „föderalen Flickenteppichs“ und teils unklaren Hygiene-Vorgaben ist die Branche zudem „ziemlich genervt“, sagt Christian Bräuer, Verbandschef der AG Kino.

Zum anderen ist da die Indifferenz der Politik, die die Kunstfreiheit bei den meisten Coronabeschlüssen unter „Ferner liefen“ abhandelte. Eben jene Kinos zum Beispiel, in denen Berlinale gefeiert wurde, dürfen an diesem Montag zum wiederholten Mal rückbauen: Mit dem Ende des Festival-Pilotprojekts werden die Abstände zwischen den Sitzen wieder vergrößert, und es gilt weiterhin Testpflicht.

In einem offenen Brief an den Regierenden Michael Müller wiesen die Betreiber der Freiluftkinos Friedrichshain, Kreuzberg und Rehberge am 16. Juni darauf hin, dass sie ihren Besuchern den Unterschied zwischen Biergärten (Außengastronomie: keine Tests, acht Menschen aus drei Haushalten an einem Tisch) und Open-Air-Kino nicht recht erklären können.

„Wieso müssen Zuschauer*innen, die in Einer- oder Zweiergruppen unter Einhaltung der Mindestabstände im Kino sitzen, weiter einen Test nachweisen?“ Und: „Warum sind Zuschauerbewegungen von Kulturinteressierten in ein Kino gefährlicher als die in Richtung Shopping oder Sport?“ Antwort: bisher keine.

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