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Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielen Rachmaninow: (v.l.) Hanna Asieieva, Darima Tcyrempilova und Dmitry Mayboroda.
© Wilfried Hösl/Staatsoper

Montagskonzert der Bayerischen Staatsoper: Kammermusik live, mit Abstandsregeln

Leerer Saal, leere Bühne: Münchens Staatsoper lädt zum Live-Streamingkonzert, mit Klaviertrio, Liedgesang und Balletttänzern.

Lento lugubre, düster und breit, so lautet die erste Vortragsbezeichnung. Sergej Rachmaninoffs „Trio élégiaque“ begegnet der aktuellen kollektiven Gemütsverfassung mit einem Strom der Klage, der bald in einen heroischen Ton mündet. Tapferkeit als Gebot der Stunde, großes Drama für Geige, Cello und Klavier, das die Streicher zunächst mit der leeren Quint grundieren, einer verschatteten, sich zunehmend kräuselnden Wellenbewegung. Sie trägt das unentwegt sich aufschwingende und gleich wieder erschöpfende ElegieThema. Stillstand, Ekstase, ein auskomponierter Teufelskreis, bis zum fahlen Unisono zu tiefsten Klavierbässen am Ende.

Die Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters Hanna Asieieva, Darima Tcyrempilova und Dmitry Mayboroda stehen auf leerer Bühne im leeren Saal der Staatsoper in München. Kein Huster, kein Programmheft-Rascheln, es ist, als umhege die Stille ihr hoch konzentriertes Spiel auf besonders sorgsame Weise.

Jeden Montag will das Haus jetzt ein Konzert per Livestream zum Publikum übertragen, ohne Kulissenaufbau, ohne Orchester, ohne Chor. Kammermusik mit Abstandsregeln, zum Schutz der Musiker und Mitarbeiter, sagt Intendant Nikolaus Bachler in die Kamera. Zahlreiche Sänger und Musiker wollen mitmachen bei den Montagskonzerten, etwas tun, für die das Publikum, die anderen, die Musik.

„Wir sind da und warten auf Sie“, ergänzt Bachler. Und dass der Abend der freien Szene gewidmet ist, die anders als die staatlichen Bühnen unmittelbar krisenbedroht sind. Mehrfach wird eine Spendennummer eingeblendet

Der strahlende, schimmernde Sopran von Hanna-Elisabeth Müller: eine Wohltat

Schnell legt sich auch die kurze Irritation, als der Intendant eigens erwähnt, dass der Bariton Michael Nagy und die Pianistin Susanna Klovsky ebenso ein Paar sind wie die Balletttänzer Lauretta Summerscales und Yonah Acosta, die am Ende des Online-Konzerts im Pas de deux aus John Crankos Choreografie von „Der Widerspenstigen Zähmung“ über die Bühne wirbeln. Normalerweise geht einen das Privatleben der Künstler nichts an. Aber jetzt ist es gut zu wissen, dass sie sich bedenkenlos nahe kommen können.

Auf Rachmaninow folgen Lieder von Hugo Wolf und Richard Strauss. Höhepunkt des Abends: wie Hanna-Elisabeth Müller mit ihrem strahlenden, auch schimmernden Sopran Wolfs „Verlassenes Mägdlein“ anstimmt, als stille Ode an den Liebeskummer und Schmerzens-Vignette. Und wie sie Strauss’ Zukunftsbeschwörung eines sonnigen „Morgen“ anstimmt, mit zaghafter Zuversicht.

"Dann kam die dunkle Nacht": Jede Zeile klingt plötzlich krisen-kontaminiert

Müllers Facettenreichtum und die große innere Spannung, die sie mit der Pianistin zu erzeugen weiß, stehen in schönem Kontrast zu Michael Nagys Fabulierlaune, seiner bebenden Unruhe, seinem Schalk. Etwa wenn der Tambourmajor in Wolfs „Wenn meine Mutter hexen könnt“ von warmem Sauerkraut träumt oder wenn er in Wolfs Mörike-Lied „Abschied“ den Rezensenten persönlich die Treppe hinunterkullern lässt.

Erlaubte Nähe. Lauretta Summerscales und Yonah Acosta tanzen einen Pas-de-Deux. Sie sind auch im wirklichen Leben ein Paar.
Erlaubte Nähe. Lauretta Summerscales und Yonah Acosta tanzen einen Pas-de-Deux. Sie sind auch im wirklichen Leben ein Paar.
© Wilfried Hösl/Staatsoper

„Ich wollt ein Sträußlein binden. Dann kam die dunkle Nacht“: Immer wieder ertappt man sich dabei, dass jede noch so vertraute poetische Zeile plötzlich Corona-kontaminiert klingt. Die Tonqualität ist übrigens vorzüglich, nur die eigene häusliche Technik sorgt bei „Georgine“ von Strauss für kurze Aussetzer.

Auch wenn das kleine Technikteam mit Kameraeinstellungen experimentiert – ja, der leere Saal sollte gelegentlich schon ins Bild kommen, aber bitte keine Sänger von hinten –; auch wenn jeweils zwei Tänzer auf einer schwarzen Riesenbühne doch sehr verloren aussehen – Prisca Zeisel und Dmitrij Vyskubenko treten mit kurzen Soli aus John Neumeiers „Kameliendame“ auf: Man wünscht sich mehr solcher Bühnen-Initiativen. Schönheit kann trösten.
Ab diesem Mittwoch auf www.staatsoper.de/stream, für 14 Tage. Beim nächsten Montagskonzert am 30. März sind voraussichtlich Julia Fischer und Jonas Kaufmann dabei.

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