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Der Schauspieler Gottfried John.
© DAVIDS

Nachruf auf Gottfried John: John - der Einprägsame

Bohémien, Fassbinder-Held, Komiker, Filmschurke: Zum Tod des vielseitigen Berliner Schauspielers Gottfried John.

Nein, jetzt diesen Text nur nicht mit seinem Gesicht anfangen. Oder mit der Beschreibung seines Körpers, dem hochgewachsenen „Monstermannsbild“, wie man ihn schon früh nannte. Nicht mit dem riesigen, flächigen Kopf, dem durchdringenden Blick unter buschigen Augenbrauen. Und vor allem nicht mit der obermarkanten Boxernase (zweimal gebrochenes Nasenbein, um genau zu sein), in der sich seine wilden jungen Jahre mit dem späteren ruppigen Rollen-Image auf das Suggestivste zu vereinigen schienen: Gottfried John, der lebenslang Halbstarke, der Bösewicht vom Dienst. Nein, nur nicht weiterdenken oder gar den gar nicht mal so lauten Schauspieler mal eben hinverbiegen zu einem, der genau so viel Prügel bezog, wie er austeilte.

Nein, auch nicht loslegen mit den süffigen, geradezu filmreif verführerischen Details aus seiner schönschrecklichen Jugend an der Seite der jungen, haltlosen, von der Schauspielerei schwärmenden Mutter, dem „Hippie, bevor es den Begriff überhaupt gab“. Nicht die Geschichte noch mal erzählen vom in Berlin geborenen unehelichen Kriegskind, von der Mutter weggenommen zu den Nonnen und ins Erziehungsheim und dann ausgerissen wieder mit der Mutter, rausgetrampt aus Deutschland mit ihr über die Schweiz nach Paris. Und erst recht nicht seine Behausung auf einem alten Seine-Kahn, seine Anfänge als Pflastermaler stets auf der Flucht vor den Flics, da war er keine 17, und dann doch die Schauspielerei! Und Berlin!

Lieber mitten hinein in den eigentlichen Anfang dieses Lebens. Und seinen Höhepunkt. Und seine Erfüllung, also auch eine Art Verglühen. Und das heißt: Rainer Werner Fassbinder. Mit Fassbinder, diesem genialen Menschenerwecker und Menschenverbraucher, drehte John binnen acht Jahren fünf Filme und zwei TV-Serien – angefangen mit seiner Rolle als revolutionärer Werkzeugmacher in „Acht Stunden sind kein Tag" (1972) über „Mutter Küsters Fahrt zum Himmel“, „In einem Jahr mit 13 Monden“, „Die Ehe der Maria Braun“ und, vor „Lili Marleen“, der legendären 13-teiligen Serie „Berlin Alexanderplatz“ (1980), in der einen Oberganoven spielte.

Gottfried John gehörte zum Fassbinder-Clan

Ja, Gottfried John gehörte zum Fassbinder-Clan wie Hanna Schygulla, Barbara Sukowa, auch Irm Hermann, Brigitte Mira und Ingrid Caven – und der Komet Fassbinder machte sie alle zu Stars auf ihre Art. Nur dass die verlockend erdrückende Umarmung sich nach dessen Tod zum Stigma wandelte: Wer richtig weitermachen wollte, musste sich selber tatsächlich, sagen wir das Modewort, neu erfinden in einem zusätzlichen Künstlerfach (wie Schygulla oder Caven) oder, taumelte, fassbinderlos, irgendwohin. Gottfried John gehörte, allen offenkundigen Erfolgen zum Trotz, zur zweiten Sorte. Und taumelte immerhin elegant.

Aber hallo, hat er etwa auf der Bühne, im Film und im Fernsehen, vom „Tatort“ über „Derrick“ bis zu den „Polizeiruf“-Krimis keine gute böse Figur gemacht? Hat er, natürlich, und bis zum Schluss. Und war da nicht eine Art Weltkarriere, wird er nicht zu Recht als einer der schurkigsten James-Bond-Gegenspieler genannt, hat er nicht als General Arkadij Grigorovich Ourumov in „Goldeneye“ (1995) sowjetische oder blockfreie Weltherrschafts-Dienstfinsterlinge à la Gert Fröbe oder Klaus Maria Brandauer locker in den Schatten eigener Riesenhaftigkeit gestellt? Hat er, keine Frage. Und war er nicht ein würdig lächerlicher Cäsar in „Asterix & Obelix gegen Cäsar“ (1998) und folglich ein Komödiant weltpopulärsten Ranges? Aber ja doch.

Der Film wurde über das Theater auf Gottfried John aufmerksam

Über 100 Filmrollen verzeichnen die Statistiken für Gottfried John – und zählt man erst die vom Theater dazu! Denn mit dem Theater hat er, auch wenn es ihn von Anfang an zum Film drängte, in seinen Zwanzigern angefangen, nach den Bohème-Jahren von Paris, abgeschmettert zwar vom Reinhardt-Seminar, wohl aber nach privatem Schauspielunterricht Fuß gefasst in Landesbühnen wie Hannover, Krefeld, Bonn und Bad Hersfeld, bis ihn der erste große Theatername entdeckte: Hans Neuenfels. Für Neuenfels spielte er in Handkes „Publikumsbeschimpfung", in den Vor-68er-Jahren ein Modestück, und in Edward Bonds „Gerettet“. Da wurde Gottfried John zu jenem Gesicht, das sein Markenzeichen werden sollte, da wurde der Film auf ihn aufmerksam, immer hungrig auf die Einprägsamen.

Und so schiebt sich dann doch dieses Gesicht in den Vordergrund, eines, das trotz aller Aufgeräumtheit und Talkshow-Gutgelauntheit, wenn man genauer hinsah, etwas Verletzliches bewahrte, das wohl aus dem ganz Frühen herrührte, aus Unbehaustheit und Orientierungslosigkeit. „Meine Mutter hat mir überhaupt keine Grenzen gesetzt“, sagte John vor zwei Jahren im Tagesspiegel-Interview. Und dem „Spiegel“: „Sie hat immer gesagt: Ich bin keine Mutter, ich weiß nicht, wie man das macht, entscheide du.“ Und, in Lob umgewandelter Schmerz: „Sie hat mir beigebracht, dass man sich nur auf sich selbst verlassen kann.“

So ruhelos, tief innen einsam auch, ist Gottfried John nicht geblieben. In späten Zeitungsartikeln ist gern auch von seiner Ehefrau Brigitte die Rede, mit der er in Utting am Ammersee lebte. Dort, nahe München, ist Gottfried John am Montag wenige Tage nach seinem 72. Geburtstag einem Krebsleiden erlegen.

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