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Durch schicke Neubauten für Gutverdiener werden sozial schwächere Gruppen aus der Innenstadt gedrängt.
© Britta Pedersen/dpa

Städtebau und Wohnungspolitik: Jetzt ist die Zeit, Berlin zu planen

An der Frage des Städtebaus entscheidet sich die Zukunft Berlins. Bernhard Schulz über Versäumnisse der Lokalpolitik und das neue Buch von Vittorio Lampugnani.

Berlin befindet sich mitten in einer neuen Gründerzeit. Und das nun schon seit einem Vierteljahrhundert. Die knappe Entscheidung des Bundestages vom Juni 1991 für Berlin als deutscher Hauptstadt setzte Wellen von Bautätigkeit in Gang. Nach der Entstehung von Regierungs- und Verwaltungssitzen gilt die derzeitige dem Wohnungsbau. Mit ihm hatte sich schon die IBA, die „Internationale Bauausstellung“ von 1983/87 befasst. Damals in dem eher verzweifelten Versuch, dem vorherrschenden, auf die grüne Wiese gestapelten Großsiedlungsbau die Vielfalt der Architektur entgegenzusetzen, überhaupt „Städtebau“ zu wagen.

Für die IBA stellte der junge Vittorio Magnago Lampugnani das theoretische Rüstzeug bereit. Er wurde später als Direktor des Architekturmuseums nach Frankfurt am Main berufen, dann als Professor an die noble ETH nach Zürich. Nun ist er wieder in Berlin, als Fellow des Wissenschaftskollegs. Zugleich hat er, quasi als Eintrittsbillett, das umfangreiche Buch „Die Stadt von der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert“ vorgelegt (Wagenbach Verlag, Berlin. Großformat, 78 €), in der Berlin nicht fehlen darf. Natürlich nicht!

Wo bleibt die soziale Mischung?

Berlin nennt Lampugnani die „verspätete Großstadt“. Verspätet? Mag sein – doch jetzt, jetzt ist die Zeit, in Berlin vorausschauend zu planen. Lampugnani berichtet, dass die auf lange Zeit gültige „Baupolizeiordnung“ von 1853 „in falsch verstandenem Liberalismus der Bauspekulation freien Lauf“ ließ. Klingt das nicht aktuell? Da doch allenthalben über den Mangel an preisgünstigem Wohnraum geklagt wird und allein der Bau schicker Innenstadthäuser für Gutverdiener, für Eigentümer floriert?

Heute lautet die Frage nicht mehr, ob wir „für unsere Hinterzimmer noch Sonne, Licht und Luft in genügender Quantität und Güte bereithalten“, wie es James Hobrecht, einer der bedeutendsten, bis heute fortwirkenden Stadtplaner des 19. Jahrhunderts formulierte. Licht und Luft haben auch Stadtrandsiedlungen zur Genüge. Aber wo die soziale Mischung bleibt, die Hobrecht ganz bewusst in der vielgescholtenen „Mietskaserne“ verwirklicht sah, das ist angesichts durchgestylter, über den Quadratmeterpreis jeweils nur einem Segment der Gesellschaft vorbehaltener Häuser allerdings die Frage – eine, zu der sich die Lokalpolitik, über Lippenbekenntnisse hinaus, bislang nicht verhält, erst recht keine gestaltende Politik gefunden hat.

Dem Städtebau Gehör verschaffen

Im Berlin des 19. Jahrhunderts, einer Zeit rapiden Bevölkerungswachstums, wurde die Stadt – die damals noch nicht eingemeindete Umgebung – durchaus geplant; teils von privater, selbstverständlich gewinnorientierter Hand. Aber eben von Koryphäen wie Josef Stübben. So entstanden bis heute bevorzugte Quartiere.

Eine Stimme wie diejenige von Lampugnani tut also not, um dem Städtebau Gehör zu verschaffen. Heute Abend beispielsweise beim „Zweiten Hauptstadtkulturgespräch zu Zukunftsszenarien rund um die Bauakademie“ in der Stiftung Brandenburger Tor (Pariser Platz, 18:30 Uhr). Städtebau ist nicht mehr die Frage einer „Baupolizeiordnung“. Es ist eine Frage, an der sich die Zukunft Berlins entscheidet. Es ist die ureigene Frage des politischen Gemeinwesens Stadt.

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