"Star Trek Beyond": 13. Kinofilm der Weltraumsaga: Jenseits der Sternenstädte
Tempo, Tempo in "Star Trek Beyond": Justin Lin inszeniert die Uralt-Saga als rasantes Weltraumabenteuer.
Fast drei Jahre lang hat das Raumschiff Enterprise auf seiner ersten Forschungsmission schon die unendlichen Weiten des Weltraums durchkreuzt. Die Euphorie der Crew ist behäbiger Routine gewichen, die ungeheure Leere des Alls wird durch zwischenmenschliche Annäherungen kompensiert. Ersehnte Erstkontakte mit fremden Spezies enden nicht selten ernüchternd oder im diplomatischen Fiasko. Einige Besatzungsmitglieder drückt die Langeweile, etwa den Heißsporn Captain James T. Kirk (Chris Pine): Schon denkt er darüber nach, sein Kommando zugunsten eines Postens in der Sternenflottenbürokratie aufzugeben. Da kommt ein Landausflug nach Yorktown gerade recht: Wie eine gigantische Weihnachtsbaumkugel erleuchtet die futuristische, von einer Glashülle umgebene Weltraumstadt der Föderation die Schwärze zwischen den Sternen.
Als zaghaft sprudelnder Quell eines allmählich anschwellenden Erzählflusses würde diese hinreißende erste halbe Stunde von „Star Trek Beyond“ fabelhaft funktionieren, etwa als Pilot für eine neue „Star-Trek“-Fernsehserie. Man sähe sie gern, weil sie den Geist und Witz ihrer ruhmreichen Vorgänger aufnehmen könnte – der Originalserie mit William Shatner und der „Next Generation“ mit Patrick Stewart. Doch hier geht es um einen zweistündigen Kinobrocken, der 150 Millionen Dollar Produktionskosten einspielen muss. Da ist es schnell vorbei mit kontemplativem Raumschiffalltag und philosophischen Erörterungen. Denn wann gab es zuletzt einen (erfolgreichen) Science-Fiction-Film, der nicht primär auf Action gesetzt hätte? Zudem muss der 13. „Star-Trek“-Kinofilm mit den Raumschlachten des „Star-Wars“Universums konkurrieren, dessen jüngster, extrem erfolgreicher Ableger ausgerechnet – Ironie der Branche – vom abgeworbenen „Star-Trek“-Regisseur J. J. Abrams inszeniert wurde.
"Fast & Furious" als dynamisches Modell
Also tut der neue Regisseur Justin Lin das, was er nach vier Filmen um die Straßenrennen-Saga „Fast & Furious“ am besten kann: Er tritt aufs Gaspedal. Im Nu hat die Enterprise das technische Wunderwerk wieder verlassen und eilt zur Rettung eines havarierten Raumschiffs in einen unkartografierten Sternennebel. Dort gerät man in einen Hinterhalt, bei dem die Enterprise im Gefecht mit einem Schwarm von Kleinst-Raumschiffen geentert und derart beschädigt wird, dass sie auf einem unwegsamen Planeten notlanden muss. Der spektakuläre Absturz der Untertassensektion ist ein Gruß an die Fans, die die analoge Szene aus „Star Trek: Treffen der Generationen“ (1994) in Erinnerung haben.
Doch der leicht durchschaubare Überbietungsversuch gelingt nur auf tricktechnischer Ebene. Eine emotionale Erschütterung bleibt aus, da der Zuschauer kaum Zeit zum Atemholen findet. Die Überlebenden sind zerstreut und werden von den Schergen des hinter dem Überfall steckenden Finsterlings Krall (gegen die Unbeweglichkeit seiner Alienmaske anspielend: Idris Elba) gejagt.
Man rauft sich zu Zweckbündnissen zusammen – etwa dem sich mit Sarkasmen angiftenden Gegensatzduo zwischen dem aufbrausenden Schiffsarzt McCoy (Karl Urban) und dem stoischen Vulkanier Spock (Zachary Quinto). Dass Bordingenieur Scotty beim Freundschaftschließen mit einer amazonenhaften Außerirdischen (Sofia Boutella) einige der besten Dialogzeilen abbekommt, ist kein Wunder, hat sein Darsteller Simon Pegg doch das Drehbuch mitverfasst. Überhaupt verdienen die perfekt getimten Wortgefechte lobende Erwähnung, gelingt hier doch der Spagat zwischen dem typischen Star-Trek-Technogebabbel über Warp-Antriebe und Raumanomalien und einer speziesübergreifenden Alltags-Schlagfertigkeit.
Mit dem Motorrad auf dem fremden Planeten
Justin Lins Action-Affinität gewinnt jedoch immer wieder die Oberhand. Als Fan von Verbrennungsmotoren schafft er es sogar, Kirk im 23. Jahrhundert mit einem antiken Motorrad auf einem fremden Planeten herumrasen zu lassen. Der Showdown ist zwar von perfekt choreografierter Opulenz und wird durch den Einsatz des Beastie-Boys-Songs „Sabotage“ mit einem popkulturellen Bezug geadelt, dreht aber auch etwas leer in seiner hyperaktiven Rasanz.
Bei allen Vorbehalten – und dazu gehört auch, dass der mal wieder von schnöder Rache angetriebene Bösewicht nicht annähernd so maliziös ist wie Benedict Cumberbatch 2013 in „Into Darkness“ – ist „Star Trek Beyond“ dennoch ein spannender, humorvoller, optimistischer, visuell überwältigender Science-Fiction- Film, der dem Geist von Gene Roddenberrys Originalserie nachspürt und ihn mit dem Actionkino der Gegenwart zu verschmelzen sucht. Doch genau hier wäre ein Umdenken angebracht: James Camerons „Avatar“ war zwar auch actionlastig, aber er nahm sich auf einzigartige Weise die Zeit, eine fremde Welt in all ihrer Pracht zu schildern – und wurde wohl genau deshalb der erfolgreichste Kinofilm überhaupt. Die Action-Doktrin des zeitgenössischen Blockbusterkinos zu unterwandern, das wäre eine noble Aufgabe für kommende „Star-Trek“-Filme.
In 23 Berliner Kinos