Zum 70. Geburtstag von Rebecca Horn: Jeder Körper ist auch eine Skulptur
Ihre Skulpturen führen ein Eigenleben: Rebecca Horn hat eine der maßgeblichen künstlerischen Positionen der Gegenwart gesetzt. Wir gratulieren zum 70.
Mit spitzen, ins Absurde verlängerten Fingern durchmisst Rebecca Horn ein Altbauzimmer und sieht dabei aus wie ein riesenhafter Vogel, dem die Federn abhanden gekommen sind. Wer wissen möchte, was die Künstlerin und langjährige Professorin an der Berliner Kunstakademie unter einer Skulptur versteht, der muss ihre „Übungen in neun Stücken“ in der alten Akademie der Künste anschauen. Die kurzen Videos der Gruppenausstellung „Lens based sculpture“ machen noch bis Ende April sichtbar, wie viel Avantgarde sich mit ihrem Werk verbindet: Die performativen Versuche über die Erweiterung des Skulpturbegriffs mithilfe des menschlichen Körpers stammen aus den frühen siebziger Jahren.
Seitdem war die 1944 Geborene, die heute ihren 70. Geburtstag feiert, viermal auf der Documenta in Kassel vertreten. Neben experimentelle Filme wie „Das Einhorn“ oder „Der Eintänzer“ von 1978 gesellten sich Zeichnungen und einzigartige Installationen. Skulptur, Bewegung und Raum gehören in ihrer Arbeit untrennbar zusammen. Auch der Betrachter wird mit einbezogen, und vielleicht kann er deshalb Horns kinetische, mitunter bedrohliche Arrangements aus Steinen, Messern, Taktstöcken, Violinen und Pianos nicht wieder vergessen. Ebenso wenig wie die Malmaschinen, nachdem er sie einmal bei der Arbeit beobachtet hat: Aus den spinnenhaften Fortsätzen sprüht schwarze Tinte an die Wand und hinterlässt dort abstrakte Partituren.
Die Kunst führt ein apparatives Eigenleben, das den Akzent von der belebten Skulptur immer mehr zur beseelten Maschine verschiebt. Zuletzt war ihr faszinierend komplexes Werk 2006 im Martin-Gropius-Bau umfassend ausgestellt. Und auch wenn es mit der Zeit immer bühnenhafter geworden ist und die subtile Hintersinnigkeit der Anfänge fehlt, hat Rebecca Horn eine der maßgeblichen künstlerischen Positionen der Gegenwart gesetzt. Es hat ein bisschen gedauert, bis dies vom Odenwald, ihrem Geburtsort, über New York zurück nach Deutschland gedrungen ist. Wohl auch, weil die Künstlerin Anfang der Siebziger nach Soho zog, um dort unter anderem die Protagonisten der internationalen Fluxus- und Experimentalfilmszene zu treffen.
Knapp zehn Jahre pendelte sie zwischen den USA und Berlin, wo sie 1989 als erste Künstlerin eine Professur bekam. 1993 widmete ihr das New Yorker Guggenheim-Museum eine große Einzelausstellung – als erster Frau überhaupt. Anfang der neunziger Jahre besann sich Horn auf ihre Wurzeln und bezog ein Atelier im Odenwald. Um ihr Werk kümmert sich die Moontower Foundation, die Rebecca Horn gegründet hat. Ihr Fernziel: Spenden sammeln, um jungen Akademieabsolventen auf dem Grundstück ihres Großvaters voller alter Gebäude eine Möglichkeit zum Arbeiten zu geben.
Christiane Meixner
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